Zugegeben: Eigentlich kann man der Diskussion kaum etwas hinzufügen, was nicht viele, unter anderem zwei meiner Lieblingsblogs zum Thema Spiele, schon getan hätten. Antigames & d-frag zum Beispiel. Zumal mich diese Diskussion zunehmend frustriert. Andererseits muss ich mir einfach mal Luft machen.

Die meisten Leute wissen derzeit ja total Bescheid und hatten ja sowieso schon lange gefordert, endlich diese „Killerspiele“ zu verbieten. Als ob dann niemand mehr durchdreht, frustriert wäre, Hass empfände. Blaupausen fuer den finalen Abgang mit möglichst viel Effekt hat es schon immer gegeben. In Literatur, Film oder auch den täglichen Nachrichten.
Natürlich haben Unterhaltungsmedien wie Bücher und Filme einen Einfluss. Das weiß man nicht erst seit Goethes Werther, nach dessen großem Erfolg das Werther-Fieber ausbrach. Und es angeblich verstärkt Selbstmorde junger Männer gab, wobei das nicht belegt ist. Heute gibt es neben Büchern, Filmen oder Musik bekanntlich ein weiteres Unterhaltungsmedium: Computerspiele.

Klar, ich denke schon, dass man über manche Spiele diskutieren kann. Und wenn mir CliffyB, seines Zeichens Lead Designer von „Gears of War“ sagt, wem das Science Fiction-Gemetzel nicht gefalle, der koenne ja Viva Pinata spielen, dann frage ich mich schon, ob ihm klar ist, dass ein bisschen Verantwortung schon dazu gehört. Man kann nicht erwarten, dass Spiele als Unterhaltungsmedium wie Bücher und Filme akzeptiert werden, wenn ich mich bei den Inhalten keiner Diskussion stelle. Wobei ich Gears of War natürlich nicht als Anleitung zum Kriegspielen verstehe, schließlich kann man die völlig übertriebenen Kampfmaschinen-Männlein nicht bierernst nehmen. Aber wenn der Designer als eins der großartigsten Features im Spiel die Kettensäge an der Wumme feiert, na ja.

Trotzdem: Diese distanzlose Hysterie, mit der man jetzt wieder Spiele als Alleinschuldige ausgemacht haben will, ist ziemlich daneben. Distanzlose Hysterie gestehe ich Angehörigen und Opfern zu, denn ich würde sicher auch nicht komplexe Ursachenforschung betreiben, wenn mir gerade Rauchbomben um die Ohren geflogen wären. Aber Opfer und Angehörigen gehen bei der Diskussion meist unter.

Leider gerät man in Diskussionen mit Kulturpessimisten (heißt: Früher war alles besser) schnell in die Rechtfertigungslage. Dabei sollte man doch über einen ganzen Katalog von Ursachen sprechen: Das verkorkste deutsche Schulsystem, dass man spätestens anlässlich der Wiedervereinigung hätte reformieren müssen. Eltern, die noch nie mit ihren Kindern ein Spiel gespielt haben oder denn sich mal Game-Genres erklären lassen. Oder wie im vorliegenden Fall mal über den unerlaubten Waffenbesitz nachdenken oder warum jemand anscheinend zwei Jahre lang Amoklauf und Gewaltfantasien ins Netz stellt und niemand reagiert.
In den Nachrichten der ARD wird von „Dom“, statt von „Doom“ gesprochen, man hat hier also von dem Spiel noch nie gehört. Mal ganz davon abgesehen, dass noch niemand sicher weiß, inwieweit eins oder mehrer Games überhaupt eine Rolle spielen. Kennen wir doch schon: Das „Steinhäuser war passionierter Counterstrike-Spieler“-Gerücht hält sich hartnäckig, obwohl im (im Web öffentlich nachlesbaren) Abschlussbericht steht, dass es nicht der Wahrheit entspricht.
Immerhin hat Spiegel Online relativ schnell genauer nachrecherchiert und die Counterstrike-Map von Sebastian B. als Mär bezeichnet. In den meisten Medien wurde schnell von der Map zum idealen Training gesprochen. Ziemlich sicher in völligen Unkenntnis der Tatsache, dass man in vielen Spielen per Editor Maps bauen kann, üblicherweise nicht, weil man damit so großartig Amokläufe oder ähnliches trainieren kann.

Natürlich kann sich jeder Mensch dieser Erde in seiner Fantasie alles Mögliche ausmalen. Üblicherweise tut man es aber nicht. Warum? Tja, weil normalerweise irgendwann der gesunde Menschenverstand wieder einsetzt. Bei Sebastian B. war das nicht der Fall. Warum das so war, wird man sicher nicht mit dem Titel eines oder mehrerer Spiele beantworten können.

„Killerspiele“-Diskussion reloaded
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