iPad, Quelle: Apple

Ich wollte ja eigentlich an dieser Stelle nicht unbedingt einen Artikel zum iPad schreiben. Fürs iPhone habe ich das auch nicht getan und außerdem nerven mich schon die Diskussionen über das iPad in der Redaktion. Aber gerade las ich noch einen interessanten Standpunkt dazu. Und das ausgerechnet von (ich zitiere einen Radiokollegen) „diesem älteren Feuilleton-Redakteur, der mit dem Internet überfordert ist“. Genau, Frank Schirrmacher. Der bringt darin einige schlaue Gedanken zu Papier. Und vor allem hat er erreicht, dass ich hier nun doch einige Gedanken zu Blog bringe:

Verwaltungsreform der digitalen Welt?

Tenor: Das iPad (Schirrmacher sagt „der“, aber egal) könnte eine Verwaltungsreform der digitalen Welt sein und zwar eine mit erheblichen Konsequenzen. Verwaltungsreform klingt nun so gar nicht nach stylischem Apple-Gerät, aber schnell wird klar, was Schirrmacher meint. In den letzten 20 Jahren seien Computeranwender an der Verwaltungssteuerung ihres Rechners schier verzweifelt. Verwaltungssteuerung, das klingt nach Windows und genau das ist gemeint. Selbst der wohlmeinendste Windows-Nutzer dürfte nicht immer glücklich sein, über die mit dem Charme eines Steuermahnbescheids vorgetragenen Warnmeldungen, Updateaufforderungen oder Rückfragen á la „Wollen Sie wirklich…?“

Die „User“ der Achtziger

Ja, wenn man dieser oder jener Beschreibung folgt, dann kann das iPad offensichtlich eine Menge wichtiger Dinge nicht. Schirrmachers Einschätzung: Offensichtlich reduziere das Gerät Komplexität in ziemlich erstaunlichem Umfang. Vielleicht, so Schirrmacher weiter, wollten die Menschen nicht permanent Präferenzen setzen? Multitasking sei Körperverletzung, sagen manche sogar. Apples iPad „verschont“ den Nutzer, indem es ihm gar keine Möglichkeit zum Multitasking gibt. Der Aufschrei war groß, auch bei dem ein oder anderen meiner Kollegen. Nur: Sie gehören zu den Menschen, die mit einer gewissen Begeisterung in technischen Details schwelgen und in (technischen) Krümeln suchen. Das ist keinesfalls abwertend gemeint und zum Teil gehöre auch ich dazu.

Meine Mutter ist in den Sechzigern und eines ihrer Hauptt-Arbeitsmittel war der Computer. Allerdings gab es da keine grafische Benutzeroberfläche, sondern sie musste lange Entries in Terminals hacken. Entsprechend ist das heutige Steuern über grafische Benutzeroberflächen für sie eher neu. Inzwischen surft aber auch sie fleissig durchs Web und schreibt eMails. Auf meinem alten Mac mini. Kaum war Jobs‘ iPad-Demonstration durch die TV-Nachrichten geflimmert, sprach sie mich auch schon darauf an. Sowohl meine Mama als auch ihr etwa gleichaltriger Freundeskreis sind total neugierig auf das Gerät. Die Vorstellung irgendwelcher anderer Gerätschaften oder gar Betriebssysteme interessiert sie sonst wenig bis null.

Ich glaube fast, die beschriebene Kategorie der technikbegeisterten Menschen – siehe Absatz drei – sind inzwischen nicht mehr in der Mehrheit. Natürlich wird es immer Leute geben, die die Geschichte der Betriebsysteme, inklusive der Vor- und Nachteile, herunterbeten können. Leute, die in Technik-Diskussionen völlig aufgehen. Aber vielleicht sind schon längst ganz andere Typen in der Überzahl? Die sogenannten „digital natives“ zum Beispiel. Für diese mit Web, Instant Messaging und Social Networks aufgewachsene Generation ist die aktuelle Diskussion über Apples tatsächliche oder vermeintliche Wunderflunder obsolet. Es interessiert sie schlicht nicht. Oder die ältere Generation, wie die meiner Mutter. Sie wollen Geräte bedienen können, fertig. Ob man 700 Programme gleichzeitig öffnen kann und jedes Programm, was man sonst noch zu brauchen glaubt, auf einem Gerät installieren zu können, zählt nicht als Kriterium. Auch die Mutter meines geschätzten Kollegen Andreas ist vermutlich in diese Kategorie zu rechnen. Seine Mutter ist in etwa so alt wie meine und nimmt mit der Audiosoftware Audacity Radiosendungen auf. Nicht, das beide Mamas nur auf so etwas wie das iPad warten: Aber ich würde sie – neben den digital natives – als einen neuen Typus von Computernutzern beschreiben.

Ich habe Anfang der Neunziger Abi gemacht, so wie auch mein Kollege Andreas. Damals gab es (freiwilligen) Informatik-Unterricht an den meisten Gymnasien. In vielen Jugendzimmer (meist der Jungs) standen Amigas oder dann 386er. In der Regel wurden darauf Spiele gespielt, obwohl der Rechner natürlich angeschafft wurde, weil er irgendwie für Schule und Ausbildung nützlich sein könnte. Oder so. Auch bei uns war das so: Ich habe auf dem Rechner meines Bruders, einem Amiga 500, unzählige Städte in Sim City abgefackelt (ach, ich hätte eine Feuerwache bauen müssen?) und stundenlang Zak McKraken gespielt. Später habe ich aber tatsächlich einige Texte darauf geschrieben… Jedenfalls waren es zu dieser Zeit nur eine Handvoll Menschen, die sich mit Computer und Technik gut auskannten. Und damit meine ich nicht irgendwelche Klischees von bebrillten Nerds. Aber eben doch eine nicht allzugroße Elite. Sie nahmen jedes Gerät auseinander, holte das letzte daraus heraus, experimentierte oder brannte schon CDs, als Otto-Normaluser noch Disketten benutzte.

Die Zeiten, meine ich, sind vorbei. Ich will gar keine Prognosen abgeben, ob das iPad nun laufen wird, wie geschnitten Brot, ob man darauf sinnvoll spielen kann, oder ob es nicht doch eine Kamera… Ich weiß es nicht und vor allem, wen interessiert das? Doch letzlich nur die alte Gruppe der „User“ – siehe weiter oben. Vielleicht schafft es das iPad, wie Schirrmacher meint, bisherige Must have-Standards komplett zu kippen. Vielleicht ist es das Ende der Desktop-Computer, wer weiß. Technologie sind auch Ideologien, schreibt Schirrmacher weiter. Meine Redaktion ist (manchmal) der beste Beweis dafür.

Das iPad sei ein „aufgabenzentriertes Gerät“, heißt es in Schirrmachers Artikel weiter. Hier bleibt sich der Autor natürlich treu, der in seinem Buch „Payback“ erklärt, „warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen„. Im Übrigen findet Schirrmacher sie durchaus wichtig, die bisweilen etwas nörgeligen Kritiker der Blogosphäre. Es gäbe genug „liebesdienerische Kritik“ von Teilen der deutschen Medien, von begeisterten „VodafoneGoogleApple und sogar Microsoft“-Liebhabern.

Aber hey, am Ende bringt Apple nächstes Jahr eine neue Baureie raus, in der eine Kamera drin ist. Fertig. Es hat schließlich auch schon andere gegeben, die das ähnlich gemacht haben, z.b. Nintendo mit seinem DS. In kürzester Zeit kamen nach dem ersten Modell weitere Nintendo DS-Modelle, die tatsächliche oder vermeintliche Versäumnisse wettgemacht haben. Was immer aus dem iPad werde, schreibt Frank Schirrmacher, er sage nichts anderes als: „Die Hardware verändert den Inhalt. Das Werkzeug verändert das Denken“

Also: Haltet ein mit Heulen und Zähneklappern! Alles wird gut. Oder so.

Das iPad: Verwaltungsreform der digitalen Welt?
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