TWW Screenshot, Bild: Daedalic

Nach langer Zeit hier mal wieder ein Spiele-Review, nachdem ich gerade für 3sat neues The Whispered World angespielt habe. Das Spiel hat mich wirklich gelockt: Es sieht gut aus, verspricht einen gewissen Tiefgang plus Witz. Ich hatte nur irgendwie verdrängt, was für ein ungeduldiger Spieler ich bin. Und genau für diesen Spielertyp ist ein Point & Click-Adventure eher so gar nicht ideal. Lest, wie ich mich durch Suchbilder und lange Dialoge kämpfte und es mit schlechtgelaunten Orakeln und schlechtsingenden Vögeln aufnahm…

Darum gehts:

Ich ahnte schon, dass der Ausflug in The Whispered World kein Spaziergang wird und habe mir daher eine Lösung zurecht gelegt. Schließlich hatte ich auch nur zwei Tage, um vor dem Dreh soweit wie möglich zu spielen. Zwei Tage können aber seeehr lang sein. Jedenfalls, wenn man von Morgends bis Abends am Rechner sitzt und Suchbilder mit dem Mauszeiger untersucht. So etwas spielt sich The Whispered World. Aber erst mal zur Story. Der kleine Clown Sadwick (der Name ist Programm) wird jede Nacht vom gleichen Alptraum gequält: Er sieht sich selbst in einer zerstörten Welt. Was das bedeuten soll, versteht er nicht, nur, dass irgendetwas vorgeht und er eine Rolle darin zu spielen scheint. Mit seinen Ängsten ist er leider recht allein, niemand nimmt ihn ernst. Sadwick reist mit dem winzigen Zirkus seiner Familie umher, der nur noch aus ihm, seinem älteren Bruder und dem Großvater besteht. Bruder Ben hält ihn lediglich für einen nervigen Nichtsnutz, sein tüdeliger Großvater kocht jeden Abend Petroleumsuppe und hält ihn für schwierig. Sein einziger Freund ist Spot, eine Raupe. Spot spricht zwar nicht und trägt meist ein dümmliches Grinsen auf dem runden Raupengesicht, doch er ist ein treuer und überaus nützlicher Freund. Denn er kann verschiedene Formen annehmen, die in verschiedenen Situationen nützlich werden. Das Spiel beginnt, nachdem Sadwick nach einem erneuten Alptraum im Zirkuswagen erwacht. Er beschließt, endlich heraus zu finden, was es mit dem beunruhigenden Traum auf sich hat.

So spielts sich:

Wie in Point & Click-Adventures üblich lässt sich Sadwick per Mausklick durch die Bilder schicken. Hält man den Mauszeiger über Objekte gedrückt, zeigen ein Hand-, Mund- oder Auge-Symbol mögliche Interaktionen an. Sadwick beschließt, zunächst die nähere Umgebung zu erkunden, den Herbstwald. Doch er verläuft sich ständig und sein schmallippiger Bruder lacht ihn aus: Ohne Karte und Kompass würde das nie etwas. Genau diese beiden Hilfsmittel müsst ihr als erstes zusammensuchen. Dazu klickt man sich durch einen ellenlangen Dialog mit Opa. Der am Ende freundlicherweise den Kompass rausrückt. So leicht kommt ihr aber in der Folge nie wieder an Gegenstände, sei an dieser Stelle gewarnt. In Sadwicks Wohnwagen muss man dann erstmals Spot einsetzen. Nur er kann in Raupengestalt ins Ofenrohr kriechen, um die verklemmte Herdtür von innen zu öffnen. Ein Kästchen kommt zum Vorschein und, wie in Abenteuern üblich, es ist natürlich verschlossen. Der passende Schlüssel ist nicht weit, allerdings habe ich natürlich gespickt, sonst würde ich nächstes Jahr Weihnachten noch da sitzen und suchen. Um an den passenden Schlüssel zu kommen, kloppen wir nämlich auf den Kopf des Bärenfells auf dem Fußboden des Wohnwagens. Daraufhin klappt dessen Maul auf und darin liegt – tada! – der Schlüssel zum Kästchen. Und im Kästchen liegt die Karte. Und dass, liebe Abenteurer, ist nur ein harmloses Vorgeplänkel für die noch folgenden Rätsel. Auf dem Weg durch die verwunschene (Bilder-)Welt müsst ihr alles aufsammeln, was sich aufsammeln lässt. In Sadwicks Beutel, der einer durchschnittlichen Damenhandtasche alle Ehre macht (alles drin, was man für die nächsten 10 Jahre braucht) sammeln sich so jede Menge kurioser Gegenstände an. Opas Ersatz-Gebiss, Korken, Baumharz, Bomben, Steinfiguren, Haarnetz… was man halt so brauchen kann, als Abenteurer. Um es kurz zu machen: Man muss die unmöglichsten Gegenstände einsammeln, kombinieren und dafür immer wieder hin und her latschen. Und das dauert, wenn man via Point & Click steuert. Dann die Dialoge: Man klickt sich von Frage zu Frage, immer in der Hoffnung, auf der richtigen Spur zu sein. Das ist oft witzig, manchmal aber auch sehr langatmig. Doch trotz teilweise ermüdend aufwendiger Rätseleien und ellenlanger Dialoge: Irgendwann packt es einen und man will auf jeden Fall wissen, wie es weiter geht.

So isses:

Erinnert sich jemand noch an diese Wimmelbilderbücher? Ich fand die als Kind toll, weil man soviel entdecken konnte. Man hatte ja auch alle Zeit der Welt und kam gar nicht auf die Idee, dass stundenlang auf ein Bild gucken öde sein könnte. The Whispered World spielen hat etwas ähnliches, nur dass auf den Bildern nicht ganz so viel drauf ist. Sie sind eher Such- als Wimmelbilder. Und manchmal habe ich gefühlte Stunden per Mauszeiger Zentimeterweise das jeweilige Bild untersucht. Laut Lösung sollte ein Gegenstand auf dem Boden liegen, den ich aber erst beim einhundertsten Mal absuchen gefunden habe. Oder ich war der Meinung, ich stehe doch auf der Lichtung und hier sollen 5 Vögel rumsitzen – tun se aber nich! Bis ich olle Ungeduld erfasst habe, dass ich auf der falschen Lichtung stehe. Fürs erste aufgegeben habe ich dann bei einem Musikrätsel. Besagte fünf Vögel sitzen auf einem Baum und ein Zettel mit 5 Noten gibt vor, welche Melodie die Federviecher trällern sollen. Trotz Lösung: Bei mir trällerten die einfach nicht, was sie sollten. Es endete damit, dass das Kamerateam und ich während des Drehs alle möglichen Lösungswege durchprobierten – ohne Erfolg. An dieser Stelle habe ich fürs erste aufgegeben, denn ähnlich wie Christian habe ich zu Hause keinen Windows-PC mehr und keine Lust, den iMac mit einen Windows-Partition zu belästigen.

Gefällt mir besonders:

Richtig gut sind die unterschiedlichen Charaktere, die Sadwick trifft. Hier wird TWW richtig witzig. Da wäre das ewig schlechtgelaunte Schlangenorakel Shana, das großartig nörgelig vertont seine Ansage macht. Oder die beiden Steinbrüder Ralv & Yngo, die zwar ohne Hilfe nicht mal auf die andere Straßenseite kommen, aber planen, die Weltherrschaft zu übernehmen. Und Sadwick selbst natürlich, der das Geschehen überaus sarkastisch kommentiert, ständig das eigne lausige Schicksal bedauert, aber doch die Welt retten will.
TWW schafft eine Mischung aus Komik und Melancholie, vor wunderschönen, handgezeichneten Hintergründen. Man hat auch sehr viel Zeit, selbige zu bewundern… Das bewegte Bild zu diesem Artikel soll übrigens am kommenden Sonntag bei neues ausgestrahlt werden. 16:30 Uhr oder in der 3sat-Mediathek.

Die Flüster-Welt
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2 Kommentare zu „Die Flüster-Welt

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