Dieser Artikel ist eigentlich ein bisschen Off-Topic für diesen Blog, aber ich finde das Picidae-Projekt so spannend, dass ich darüber schreiben möchte. Und ausserdem muss ich ja zugeben: Ich habe eine Schwäche für kreatives Rebellentum. Picidae ist übrigens lateinisch für Specht. Und wie ein Specht hackt sich Picidae durch die chinesische Firewall.

Bekanntlich zensiert China das Internet stark, auch wenn das offiziell nur von innerer Sicherheit gesprochen wird. Daher wird man wohl solche Wikipedia Artikel zum Thema (geschweige denn Wikipedia selbst) in China kaum aufrufen können. Tatsache ist aber zu sein, dass wer in einem chinesischen Internetcafé auf Google bestimmte Schlüsselwörter eingibt, die Suchergebnisse zensiert werden. Dafür haben Unternehmen wie Google & Yahoo viel Kritik einstecken müssen.
Picidae könnte Abhilfe schaffen.

Picidae-Logo

Dahinter stecken die Künstler Christoph Wachter aus Berlin und Mathias Jud aus Zürich. Eigentlich würde man dahinter eher eine politische Gruppe vermuten, als Künstler, aber in jedem Fall ist es politische Kunst. Ist ja auch eigentlich wurscht. Der Ansatz der beiden ist, sich selbst ein Bild machen zu wollen. Das Internet scheint aus der Welt ein Dorf zu machen, aber wenn man genauer hinsieht, zeigen sich viele Löcher und blinde Flecken. Nordkoreanische Internetseiten? Demo-Aufrufe aus Syrien? Chinesische Seiten zu Tiananmen-Massaker? Fehlanzeige!

Wie genau zensiert wird, bleibt oft im Verborgenen. In China wird das Aufrufen bestimmter Websiten verhindert, indem nach bestimmten Worten gefiltert wird. Entweder im Webseiten-Inhalt, der URL oder gleich eine komplette Website.
Und das macht Picidae: Ruft man picidae auf, erscheint nicht mehr als ein Feld zur Eingabe einer Webadresse, ähnlich wie bei Google auch. Picidae erstellt aber ein Bild der Webseite und sendet das Bild zurück. Auf diesem Bild kann man dann surfen, weil der pici-Server die Webseite analysiert und auf dem Abbild überall dort Links setzt, wo sie auf dem Bild zu sehen sind. So funktioniert dort alles so, wie auch auf der eigentlichen Website.

Um sich noch geschickter zu tarnen, werden Seiteninhalt, Seitentitel, Bildername, Links etc. von Picidae willkürlich benannt. Und es funktioniert. Die beiden Künstler haben bei einem Chinatrip in einem Internetcafé ihr Projekt getestet. Eine nicht ganz ungefährliche Aktion, aber sie sind heil wieder zurückgekommen. Und waren zwischenzeitlich auch bei uns im Studio, um ihr Projekt vorzustellen.

Natürlich könnte einfach die Seite von Picidae gesperrt werden, schließlich sind lang-erprobte Zensoren auch nicht doof. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Projektseite auch längst gesperrt ist. Daher bieten Wachter & Jud die Möglichkeit, selbst ein „pici-vider“ zu werden. Im Klartext: Man kann einen eigenen pici-Server auf seinem Computer aufsetzen und betreiben. Der Quelltext ist frei downloadbar.
Wichtiger Tipp der Projektmacher: Bei einer Verlinkung auf einen pici-Server oder einen pici-Proxy sollte man natürlich das Wort “pici” und “picidae” vermeiden. Falls eine Zensurbehörde “picidae” indiziert, bliebe der Link von dieser Zensur ausgenommen.
Das Risiko kann ich hier wohl mal eingehen, es berichtet sich sonst auch etwas blöde. Wichtig ist jedenfalls, dass viele Internet-Nutzer in der beschriebenen Form mitmachen, damit es überlebt.

So und jetzt muss ich mal mit dem Bloglesen-Admin reden….

Picidae-Banner

Die Zensur-Spechte: Picidae
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Und jetzt ihr!

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