Kevin Hearne, Die Chronik des Eisernen Druiden (Bild: Klett-Cotta)
Kevin Hearne, Die Chronik des Eisernen Druiden (Bild: Klett-Cotta)

Wenn die Menschen in Tempe, Arizona, Atticus O’Sullivan im Supermarkt begegnen, schließen sie aus seinen roten Locken und seiner Blässe, er spiele vermutlich Fußball und trinke jede Menge Guinness. Das irische Erbe stimmt zwar, aber tatsächlich ist der Kerl mit den nerdigen Shirts nicht einundzwanzig, sondern einundzwanzig Jahrhunderte alt. Und Druide. Der letzte, genau genommen. An Arizona schätzt er die geringe Götterdichte – weil er mit denen ständig aneinander gerät. Doch eines Tages spürt ihn doch eine keltische Gottheit auf. Eine ziemlich stinkige Gottheit – mit abregen und vergessen haben es die alten Götter offenbar generell nicht so…

Atticus ist äußerlich ein ganz cooler Typ mit Tattoos und Hipster-Bart. Er ist besitzt einen kleinen okkulten Buchladen nebst Kräuter-Apotheke: „Das dritte Auge – Bücher und Kräuter“. Eine perfekte Tarnung in Zeiten, in denen gepflegtes Nerdtum längst Mainstream ist. Er verkauft Kristalle & Tarotkarten an Collegekids, die ihre protestantischen Eltern schocken wollen und alberne Zauberformel-Bücher an naive Wicca-Kult-Anhänger. Er hat allerdings ein gewisses Talent, sich Ärger einzuhandeln – was bedauerlich ist, denn eigentlich will er grundsätzlich lieber seine Ruhe. Nach Jahren des entspannten Daseins spürt ihn dann aber doch Aenghus Óg auf, dessen magisches Schwert Atticus vor langer Zeit in die Hände geriet.

Soweit die Vorgeschichte, die im ersten Band den Auftakt für eine Reihe von dramatischen und gleichzeitig sehr lustigen Ereignissen macht. Ich bin zufällig über diese Buchreihe von Kevin Hearne gestolpert, als ich mal wieder was halbwegs Originelles in Sachen Fantasy gesucht habe. Das erste Buch erschien 2011. Bei Fantasy ist es für mich ein bisschen so: Entweder es verliert sich in furchtbar anstrengender Tolkien’scher Ernsthaftigkeit oder es wird albern. Kevin Hearnes Reihe kriegt da ziemlich gut die Kurve. Es hat ordentlich Wums und Action und kracht an allen Ecken und Enden. Denn Atticus‘ erstes Abenteuer bringt im Grunde nur einen Stein ins Rollen. Bei allem Getöse und ordentlich magisch oder jedenfalls widernatürlich aufgeladenem Gemetzel, sind die Geschehnisse aber oft unglaublich lustig und liefern eine Reihe von originellen Erklärungen für Ereignisse in der realen Welt.  Manche Schlägerei oder unerklärliche Mordserie beruht in Wahrheit auf Auseinandersetzungen von irgendwelchen blasierten Gottheiten oder Eigenheiten fantastischer Kreaturen. Todesfälle bei einem Baseball-Spiel werden beispielsweise mit Revierkämpfen von Vampir-Clans erklärt. Oder die unglaublichen Erfolge einer Consultant-Firma damit, dass es sich bei den dabei um Hexen handelt, die Menschen mit Charme-Zaubern einwickeln. Das viele reale Berater-Firmen  mit ziemlich banalen Ratschlägen arbeiten, diese aber mit viel Brimborium unterbreiten, ist natürlich die eigentliche Komik daran. Dabei sorgt der ebenso kluge wie mit einem gewissen Hang zu Kalauern ausgestattete Atticus immer für die richtige Balance. Da vergleicht er eine Auseinandersetzung mit Angehörigen der hochgefährlichen Fir Bolg (irische Mythologie) mit dem Mosh Pit bei einem Pantera-Konzert. Sein Sidekick ist ein irischer Wolfshund namens Oberon, mit dem er sich in Gedanken verständigen kann. Der Vierbeiner hat eine Vorliebe für französische Pudeldamen und für historischen Figuren wie Dschingis Khan oder Vlad den Pfähler.

Immer wieder gerät die alte, magische Welt in lustige Konflikte mit der modernen. Das Atticus nach vielen ruhigen Jahren auffliegt, liegt unter anderem daran, dass er auch einen Online-Shop betreibt. Er rechnet schlicht nicht damit, das ihn Angehörige des Feenvolks googlen. Tja. Und weil ihn seine diversen Querelen mit verschiedensten Gottheiten immer mal wieder in Schwierigkeiten mit irdischen Gesetzen bringen, hat er gute Kontakte zu einer sehr speziellen Anwaltskanzlei. Die wird geleitet von einem Vampir und einem Werwolf. Unnötig zu sagen, dass der Vampir nur abends Termine macht. Der Vampir ist auch schon recht alt und vor allem sprachlich in einer etwas anderen Zeit verhaftet. Dafür wird er von Atticus regelmäßig aufgezogen: Er möge doch bitte nicht immer mit „very well“ antworten, heutzutage reiche ein „I’m good“ völlig aus – grammatikalisch falsch hin oder her.

Apropos: Ich habe inzwischen 3 der acht Bücher gelesen und kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich auf deutsch oder englisch weiter lesen soll. Die deutsche Übersetzung ist nicht schlecht, versagt aber naturgemäß, wenn Dialekte ins Spiel kommen. Ganz gruselig wird es übersetzungstechnisch, wenn er mal eben in Lolcat-Jargon verfällt: „Oh nö, Katziehs sein viel böse.“ In den englischen Büchern geht manchmal aber doch etwas Meta-Information verloren. Zudem sind die englischen Taschenbücher halb so groß wie die deutschen, entsprechend klein gedruckt und weniger schön vom Layout her.

Die Bücher sind sprachlich oft unglaublich witzig, langweilen nicht mit langatmigen Beschreibungen, liefern aber ganz nebenbei eine Menge Wissen über verschiedenste Mythen mit. Es geht oft auf eine gute Art respektlos zu: Es tauchen nämlich nicht nur griechische oder keltische Gottheiten auf, sondern auch christliche. Jesus ist demnach dunkelhäutig und muskulös, Typ lässiger Dude. Und um alle Informationen über die Menschheit noch sortiert zu bekommen, hat Jesus sich ein Ordnungssystem im Kopf angelegt, wovon ein Ordner „Arschlöcher, die üble Schandtaten in meinem Namen begehen“ heißt.  Kevin Hearne baut solche Dinge geschickt in das System der üblichen Fantasy-Gepflogenheiten ein, wonach Götter nur so viel Macht besitzen, wie Menschen an sie glauben bzw. ihnen Macht zuschreiben.

Nach dem ersten Buch war ich noch ein bisschen skeptisch, ob mir Kevin Hearnes Figuren wirklich näher kommen, auch wenn sie originell beschrieben sind. Das hat sich aber mit dem 2. Band gegeben. Schauen wir doch mal, wo das hinführt.

 

 

 

Druide, Dude!
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3 Kommentare zu „Druide, Dude!

  • Juni 1, 2016 um 4:54 pm Uhr
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    Oh, danke für die Empfehlung! Ich suche schon verzweifelt nach Ersatz für meine geliebte „Flüsse von London“-Serie und das scheint ganz gut zu passen.
    Wenn sich Autoren (es sind nie -innen, ich schwöre! Die haben’s scheint’s nicht nötig) in tranige Beschreibungen versteigen, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, ganze Absätze einfach zu überspringen. Früher kam dann das schlechte Gewissen das sagte „uhhh, du nimmst nicht 100% auf, du könntest was verpassen!“. Heute sag‘ ich: mach‘ deinen Egoscheiss alleine.

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    • Juni 1, 2016 um 8:03 pm Uhr
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      Ja, ich fliege über langatmige Beschreibungen inzwischen auch im Schnelldurchlauf drüber. Was mir auch gut gefällt, ist wie charmant der Autor mit Klischees spielt, ohne dass es platt wird. Es gibt sowohl bei männlichen als auch weiblichen Charakteren eine große Bandbreite. Sonst gibts ja oft wenig zwischen lieblicher Maid und knallharter Kampf-Wuchtbrumme oder aalglattem Helden und volltrunkenem Zwerg.

  • Juni 12, 2016 um 3:04 pm Uhr
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    Uh-uh! Eins noch, dann lass‘ ich diesen alten Eintrag in Ruhe ^^
    Unbedingt die Peter Grant bzw. Flüsse von London-Reihe von Ben Aaronovitch lesen. Urban Fantasy, Krimi, Mystery, Horror. Und ein bisschen bodenständiger (wenn man diesen Begriff verwenden darf, in dem Zusammenhang) als die Druidenbücher

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