High 5 zum Frontal21-Beitrag
High 5 zum Frontal21-Beitrag

Ich habe eine ganze Weile überlegt, ob ich dazu etwas schreibe oder ob das Thema Videospiel-Journalismus nicht irgendwie durch ist. Zunächst mal war da die aufgeregte Debatte um den Frontal 21-Beitrag „Kostenfalle Kinderspiele im Internet„. Darüber haben sich die Kollegen von High5 weidlich ausgelassen. Und gerade las ich den Beitrag über das „unerforschte Land des Spielejournalismus“ auf Polygamia. Je länger ich aber über das ganze nachdachte, desto mehr hatte ich das Gefühl, irgendwas daran stört mich. Die Reaktion der High 5’ler sagt doch einiges mehr im Subtext – nämlich über den Zustand des Videospiel-Journalismus. Ja, da ist noch einiges dazu zu sagen. Und daher hier nun mein ganz persönlicher Kommentar…

Zunächst mal: Ja, die Haupt-Kritikpunkte (gewählte Interviewpartner, Zitierweise, die Art und Weise, wie das Fremd-Material von der Casual Connect eingebunden war, Vermischung verschiedener komplexer Themen, etc) von Fabian am Frontal-Beitrag kann man teilen. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.
Aber: Wenn ein renommierter Publisher wie Ubisoft bei einem Spiel, das sich ganz klar an Kinder richtet, eine 0900er-Nummer schaltet, kann man da mal ein paar Worte der Kritik drüber verlieren. Auch oder vor allem als Fachpresse. Da geht Fabian doch relativ fix drüber hinweg. Natürlich ist diese Art der Abzocke nicht neu. Aber wird sie dadurch besser? Ja, natürlich dürfen Publisher Geld verdienen. Aber den meisten Spiele-Journalisten düfte klar sein, dass dabei nicht nur Gutes passiert.Grundsätzlich kann und darf man bei allem, wo irgendjemand für irgendetwas Geld bezahlen soll, die Mechanismen dahinter hinterfragen. Wer jemals auf der Casual Connect durch die Hallen schlenderte oder ein paar Vorträge anhörte, dem dürften sich durchaus gelegentlich die Haare sträuben.

Und dann: Natürlich haben die Berichte von Frontal (die querbeet aus allen Themenbereichen stammen) eine andere Substanz, als Sendungen, die sich nur mit einem Themenbereich befassen. Wo sich „Brisant“ in der ARD oder „taff“ in Pro7 mutmaßlich auf den Glamour-Aspekt der van der Vaarts stürzen, würde Doppelpass in Sport1 wohl den Fokus auf die Erfolge des HSV mit Herrn van der Vaart richten. Über die Brisant-Berichterstattung (oder die anderer Boulevard-Magazine) dürften die Sportreporter vermutlich eher die Augen rollen. Man stelle sich vor, eine Sportredaktion würde eine wütende Anklage produzieren und sich minutenlang auf jeden OTon-Partner, jede Formulierung und jeden Aspekt eines Beitrags stürzen. Das würden vermutlich die meisten Zuschauer, auch die Sport-interessierten, für ziemlich übertrieben halten.

Nochmal fürs Protokoll: Das Gros der Kritik war berechtigt. Aber ist es die Aufgabe von Journalisten, das eigene Fachgebiet zu verteidigen? Sorry, Kollegen: Aber das riecht nach Fanboy-Tum galore. Huh, jemand hat SCHON WIEDER unser tolles Medium nicht nur unterschätzt sondern auch noch falsch dargestellt. Ja, das kommt vor. Egal ob gefühlt oder tatsächlich schlechte Recherche: Es ist absurd, so eine Wallung zu machen. Stattdessen könnte man sich des Themas so annehmen, wie es angemessen wäre. Den Finger selbst in die Wunde legen. Aufhören, sich als alleinige Hardcore-Elite zu benehmen. Herzlich willkommen in der Welt der Medien, in der auch boulevardeske, mäßig gut recherchierte und/oder oberfläche Berichte vorkommen. Ich sage nicht, dass das gut so ist. Aber es wird leider immer wieder vorkommen. Und das beliebte „und dafür zahl‘ ich Gebühren?!“ zu bemühen ist auch nur mäßig cool. Natürlich ist das nicht ganz von der Hand zu weisen, andererseits darf das auch nicht als Totschlag-Argument für missliebige Sendungen oder Meinungen herhalten.
Ja, mich ärgert es auch, wenn irgendein für mich interessantes Thema, bei dem ich mich möglicherweise gut auskenne, oberflächlich oder gar falsch dargestellt wird. Es gibt aber alle Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Man kann auf allen möglichen Kanälen mitteilen, was daran falsch ist. Das tun Zuschauer auch, vor allem bei Fachsendungen.

Da wird mancher einwenden: Hat High 5 ja auch getan. Richtig. Und sie haben solide Fakten aufgezählt. Auch. Ein bisschen weniger Aufregung hätte ihnen aber auch gut gestanden. Siehe voriger Absatz. Außer das es professioneller produziert ist, unterscheidet sich die Tirade von Fabian nicht sehr von Diskussionen in Foren oder Zuschauermails. Denen kann man nachsehen, wenn sie ihrem Ärger deutlich Luft machen. Von der Fachpresse dagegen kann man schon etwas mehr Stil erwarten.

Das bringt mich zum eingangs erwähnten Polygamia-Post. Da rüffelt der Autor Andy die WASD-Autoren für ihr hohes Ross. Er macht es nicht sehr konkret an Beispielen fest, hat aber nicht ganz unrecht mit dieser Aussage:

Gleichzeitig würde ich mich mit Bauchschmerzen WASD anbiedern – speziell nachdem ich einzelne Texte der Erstausgabe las, die sich vornehmlich über die vermeintliche Schlechtigkeit der Spiele muckierten. Während dies das gute Recht eines jeden Schreibers ist, so gibt es für mich eine entscheidende Grenze: Man darf sich in meinen Augen nicht über die Fans dieser Spiele lustig machen, egal wie man selbst zu diesen steht.

Das trifft nicht nur auf einige Videospiel-Journalisten zu, sondern auch auf die Spieler selbst. Denn anscheinend ist kaum ein Themenbereich so eng mit seinen Fans verzahnt, wie Videospiele. Oftmals wirken Journalisten mehr wie Fans als wie Berichterstatter. Man teilt Spieler ein in Hardcore-Gamer und Gelegenheitsspieler und tut damit doch nur der Industrie einen Gefallen. Überlasst doch einfach nicht die schwierigen Themen den weniger fachbezogen arbeitenden Medien. Greift sie selbst auf. Räumt ihnen auch mal mehr Platz ein, statt zu 80% große und kleine Reviews runterzurasseln.

Konfrontal
Markiert in:

5 Kommentare zu „Konfrontal

  • Pingback:Sonntagslinks approaching! — KALIBAN (You are likely to be eaten by a grue)

  • Januar 14, 2013 um 1:24 pm Uhr
    Permalink

    Gibt es eigentlich einen Fachbegriff für diese Kritikform, die ich mal sporadisch als „non-committing criticism“ bezeichnen möchte, bei der man als AutorIn einen Kritikpunkt vorbringt und im nächsten Satz sofort wieder einschränkt, und sich LeserInnen so aussuchen können, ob der Text jetzt wirklich kritisieren oder nur problematische Aspekte aufzeigen will, über die man dann weiter diskutieren könnte, ohne dass der Text das dann auch nur versuchen würde?

    Etwas mehr Rückgrat im Schreibstil hätte hier gut getan. So liest sich das doch arg lauwarm.

    Antworten
  • Januar 14, 2013 um 4:07 pm Uhr
    Permalink

    Ich bleibe bei aller Kritik einigermaßen höflich. Das schätze ich auch bei anderen. Meine Kritik ist deutlich genug. Rumpöbeln können gerne andere.

    Antworten
  • Januar 18, 2013 um 9:17 pm Uhr
    Permalink

    Man kann ja von Polygamia halten, was man will (Oh, Gott, dieser peinliche Name).. Und von High5.. Und von WASD..

    Aber was das Zitat betrifft: Truer words were never spoken.

    Obwohl Videospiele und die, die sie spielen sich oft genug der Lächerlichkeit preisgeben, so sollte man doch die Anstrengungen, die die Leute in ihr Hobby stecken, würdigen.

    Ich habe vor guten DOTA-Spielern den größten Respekt. Und nur weil 99 Prozent aller Let’s Plays besser als das stärkste Schlafmittel wirken, heißt es nicht, es gäbe nicht auch sehenswerte Videos dieser Gattung (ich habe tatsächlich schon eines gesehen).

    Man muß ja nicht immer ein verknöcherter alter Sack sein.

    Antworten

Schreibe eine Antwort zu nilleAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.