Alle haben recht: Christian Schmidt, Dennis Kogel, Petra Fröhlich und all die anderen, die sich inzwischen echauffiert/geäußert haben.
Recht haben sie, auch wenn sie nicht einer Meinung sind. Die Wahrheit liegt halt, wie so oft, halbdreiviertel in der Mitte.

Das es die Debatte überhaupt gibt, finde ich persönlich prima. Endlich. Abkriegen tut es nun eben Christian. Überhaupt, ist man mit Mitte 30 schon Veteran? Wenn Christian Schmidt ein Veteran ist, was fällt uns dann zu, sagen wir, Peter Scholl-Latour ein? The Mummy Returns? Gut, der Spiele-Journalismus ist noch nicht so alt, aber es haben ja nicht alle schon mit 15 bei der Schülerzeitung damit angefangen.

Ich vermisse wie Christian Schmidt mehr Hintergrund… Auch bei einem Spiel wie Modern Warfare kann ich schliesslich feststellen, dass sich die Story (ja, es gibt eine) am politischen Zeitgeschehen orientiert. Wir haben heute multinationale Enheiten an Krisenherden und es gibt russische Nationalisten. Danach kann ich Entwickler auch fragen. Sicher, die können mich doof anschauen und sagen, ach, wissen Sie, wir wollten nur was, was uns die Rechtfertigung für haufenweise Wummen und Explosionen gibt. Vielleicht tun sie das, vielleicht aber auch nicht.

Petra Fröhlich meint, die Spiele seien platt, nicht die Rezensionen. Das mag bei vielen Spielen stimmen, ist aber grundsätzlich eine laue Erklärung. Man kann ja einen mauen Text nicht mit einem mauen Thema rechtfertigen. So ein Argument bekommt man in der Ausbildung um die Ohren gehauen – egal ob bei einem Print-Magazin oder beim Fernsehen (wie in meinem Fall).

Ich denke, die oft sehr Technologie-zentrierte, Feature-versessene Rezensionsweise von Spielen resultiert aus ihrer Entstehungsgeschichte, mit der viele Redakteure und Journalisten aufgewachsen sind. Viele Spiele oder Genres versteht man nur, wenn man die Möglichkeiten und Leistungsgrenzen der ursprünglichen Hardware kennt. Für Elite brauchte man aus heutiger Sicht ziemlich viel Vorstellungskraft. EVE Online dagegen bietet optisch herausragende unendliche Weiten mit hochpolierten Raumschiffen. Heute sind Open World Games das Non plus Ultra und sie entwickeln sich immer weiter. Kein Wunder, dass man darüber redet bzw. schreibt. Die jüngeren Leser kennen Spiele-Berichterstattung vielleicht nur so, ohne den Hintergrund zu kennen. Leider scheinen sie solche Texte aber eben gewohnt zu sein und sie einzufordern. Oder? Man sollte ganz sicher seine Leser (oder Zuschauer) nicht für dumm halten. Ich denke, dass besondere Qualität sehr wohl wahrgenommen wird. So sieht es auch Dennis Kogel: „Ja, es gibt genügend Leser, die das so in Ordnung finden und (…) die einfach nur wissen wollen, wann den Space Marines rauskommt. Aber es gibt genauso viele Leser, die mehr wollen. (…) Ein lesenswerter Artikel, keine Spekulation über wie viele Waffen ein Spiel hat, wie viele Zombie-Typen es abzuschießen gilt oder ob die Xbox oder PS3-Version besser aussieht.“
Sicher ist es auch eine Frage des Alters und der Ansprüche des Publikums, das man hat.

Gerade erzählte mir Dax Ginn von Rocksteady Studios zu Batman – Arkham City, es sei vielleicht nicht das größte Open World Game aller Zeiten, aber das detailreichste. Da haben wir es, das Feature. Mal sehen, ob der Kollege von Golem, der dabei war, das in seinem Artikel erwähnt. Oder die Kollegen von Gameone.
Man vergleicht ähnliche Szenerien natürlich, das ist ja auch in Ordnung. Es ist auch in Ordnung, Features wie Sound oder Grafik zu bewerten. Wenn die Grafik durchgängig matschig ist, ist das mit Sicherheit auf Dauer störend. Auch wenn ich persönlich auf grafischen Schnickschnack pfeife, wenn das Spiel Spaß macht. Wenn es das Hauptkriterium wäre, hätte World of Warcraft keine Chance: grafisch ist es nämlich längst nicht auf der Höhe der Zeit.
Wenn ich aber, wie in einem aktuellen Test von Warhammer 40k schon im ersten Absatz lese, das Spiel habe zwar eine packende Atmosphäre, sei aber technisch veraltet, habe ich schon keine Lust mehr, weiterzulesen. Wenn ich einen Beipackzettel will, lese ich sowas. Wenn ich unterhalten werden will, nicht. Und das scheint das Problem: solche Texte enthalten sicher wertvolle Infos, aber sie unterhalten nicht. Oder nur selten.

Dummerweise bedienen sich Medien und Publisher gegenseitig bei der Lieferung der Feature-Beschreibung und der „detaillierten Prüfprotokolle, samt Endnote mit Nachkommastelle“ (Christian Schmidt). Die Marktforschung der Publisher zeigt selbigen, dass sich vor allem Spiele mit einer Bewertung ab 75% aufwärts gut verkaufen. Also tut man alles, in den einschlägigen Heften entsprechende Wertungen zu erreichen: Redakteure werden zu Anspielssessions bestimmter Features eingeladen, etc pp. Aus Sicht der Publisher ist daran ja auch zunächst mal nichts Verwerfliches. Und in ihrer Einschätzung, dass solche Artikel, wie sie Schmidt beschreibt, gewünscht seien, sind sich offensichtlich die meisten Journalisten und die Publisher einig.

Ich lese vieler dieser Magazine inzwischen kaum noch. Das habe ich zu Beginn getan, als ich für einen Privatsender Gamechecks geliefert habe. Vor allem deshalb, weil mich dafür nicht wirklich jemand angeleitet hat. Die CvDs wollten vor allem tolle bunte Bilder haben und möglichst witzige Aufsager von mir. Den Hintergrund musste ich mir selbst draufschaffen. Und war mir oft unsicher: habe ich auf das richtige geachtet, stimmt meine Einschätzung?
Das muss ich natürlich nicht mehr tun und wenn ich zu völlig anderen Schlüssen komme, dann ist das halt so.

Ja, Spieler sind eine überaus kritische und gut informierte Leser-/Zuschauerschaft. Da wird schnell moniert, das dieses oder jenes Detail nicht korrekt erwähnt wurde. Manchmal nervt das, manchmal bekommt man aber als Journalist durchaus unangenehm vor Augen geführt, das man über eine vermeintlich unwichtige Kleinigkeit einfach hinweg gesehen hat. Man darf sich aber natürlich nicht unter Druck setzen lassen, sich nach allen Seiten abzusichern. Heißt: wirklich jedes pro und contra aufzuzählen. Das ist es, was Christian Schmidt meint und wo ich ihm zustimme, auch wenn er es recht drastisch ausdrückt: „Es ist ein Kniefall vor dem Hardcore-Gamern, der Laientum wittert, wenn im Test nicht erwähnt wird, dass die Gegner bei Beschuss mit Glock-Pistolen manchmal nach Links umfallen, statt nach rechts.“

Und was machen wir jetzt? Überlegt euch halt was. Ich schreib‘ derweil weiter. Und überlege mir bei meinem Beitrag über Batman Arkham City 3, statt nur 2 Mal, was ich sage. Sonst darf ich wohl leider auch nicht meckern…

Update: Bei Herrn Kaliban gibt es eine Nachlese zur Debatte – wobei die gerade erst begonnen hat. Das hier ist übrigens die Langfassung des SpOn-Beitrags. Und Kollege Austinat kündigt hier schon mal eine Replik an.

Plattes Spiel, platter Text?
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6 Kommentare zu „Plattes Spiel, platter Text?

  • September 8, 2011 um 4:18 pm Uhr
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    Danke fürs Erwähnen (und verlinken und sowieso)!

    Jetzt wo ich aber nochmal über meinen Text dazu drüberlesen: ich klinge ein wenig danach, als ob wissen wollen, ob denn „die PS3 oder die Xbox-Version „besser“ aussieht“, ausschließt auch mehr Hintergrund/Analyse/Interpretation/schlagmichtot zu lesen.

    Das tut es nicht. Hoffe ich zumindest. Manchmal möchte man halt einfach wissen, ob sich das wundervolle, intelligente Bastion gut auf Tastatur steuern lässt oder kompatibel ist mit einem Nicht-Microsoft-Controller – und nicht, was der Erzähler beim Rezensenten bewirkt hat. Ich glaube, das ist durchaus berechtigt.

    Ich glaube aber auch, dass dieses „kleinschreiben“ von Core-Gamern als müffelnde Geekster, die auch gar kein Bock auf „Diskurs“ haben, uns nicht voran bringt. Wär das so, dann würde niemand auf Kotaku die Kolumnen von Leigh Alexander, Kirk Hamilton, Ian Bogost lesen. Solange es gut und unterhaltsam geschrieben oder gefilmt/geschnitten/produziert/aufgenommen ist, wird das (sage ich mal ganz naiv) ein bereitwilliges, interessierters und diskussionsbereites Publikum finden.

    Insofern: mehr Diversität, mehr Features (höhö), weniger Reden davon, dass das alles schlicht unmöglich ist. Davon hört man nämlich genug.

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  • September 9, 2011 um 10:37 pm Uhr
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    „Gerade erzählte mir Dax Ginn von Rocksteady Studios zu Batman – Arkham City, es sei vielleicht nicht das größte Open World Game aller Zeiten, aber das detailreichste.“

    Hast Du da nachgehakt? Was sind das für Details? Gibt es die in anderen Spielen nicht? Sind das interaktive Details? Nur Schmuckwerk?

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  • September 9, 2011 um 11:45 pm Uhr
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    Nein, nach Details zu den Details habe ich in dem Moment nicht gefragt. Gemeint war wohl schon eher die Optik. Es sah eigentlich nicht danach aus, als wäre die Umgebung extrem interaktiv, wenn Du das meinst – also dergestalt, dass man jede Straßenlaterne an- und ausknipsen könnte.

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  • September 28, 2011 um 7:53 pm Uhr
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    Christian Schmidt hat Recht. Texte sollen unterhalten.
    Persönlich habe ich nie für verkniffene Hardcore-Gamer geschrieben, sondern für jemanden, der unterhalten werden will. Ich will bei einem Text auch mal schmunzeln, lachen. Selbst ein mieses Spiel oder ein Kurztext soll dadurch Leser gewinnen.

    In dem Augenblick, in dem Spielehefte sich nur noch als eine Art Appendix der Industrie sehen, wird es öde.

    Leider hat das Langersche Konzept die Hefte langweilig gemacht. Zugegeben, das Konzept von Boris Schneider, Wertungen mit 5 Sternchen durchzuführen, war damals den Lesern nicht zu kommunizieren. Aber die Gamestar ist leider immer öder geworden – solche Texte will ich nicht lesen, da reicht dann wirklich ein kurzer Blick auf die Wertung.

    Vielleicht will ich auch keine Spiele sezieren. So wie ich keine Analyse einzelner Filmeinstellungen aus technischer Sicht lesen will, wenn ich mich auf einen Kinofilm freue.

    Lese noch immer gerne Reportagen über die Spiele-Industrie, Hintergründe, Personen. Abler bloß keine mehrseitigen „Previews“ mit zweifelhaftem Inhalt oder bloß an Fakten orientierte Spieletests. Dann lieber eine Doppelseite mit einem schönen Screenshot und dazu eine knackige Bildunterschrift. Atmosphäre ist wichtiger als eine Aufzählung aller Waffen. Das mache ich, wenn ich Zeilen schinden will, weil der Chefredakteur unbedingt einen 10-Seiten-Test im Heft haben will, um die Konkurrenz zu schlagen.

    Bin wohl auch deshalb nicht mehr bereit, noch Spieletests zu schreiben. Obwohl es damals oftmals viel Spaß gemacht hat. Texte von Lenhardt, Udo Hoffmann etc. gingen oft auch in die unterhaltsame Richtung, die habe ich sogar freiwillig gelesen, selbst in meiner ativen Zeit als Redakteur.

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