Kaufen oder nicht kaufen?
Kaufen oder nicht kaufen?

„Ever wondered how to make more players act like „whales“ – get deeply engaged with your game, keep coming back to it and bring you a lot of revenue?“

Nachzulesen ist dieses Zitat in der Beschreibung für einen Talk auf der diesjährigen Casual Connect. Diesen Talk kann man sich hier ansehen.
Wer die aktuelleste Pixelmacher-Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Mindfuck“ gesehen hat, wird auch das Stück zum Thema „Whale Watching“ gesehen haben. Weil in einem knapp 4-Minuten-Beitrag nie alles Platz findet, was man so an Infos zusammenträgt, packe ich das an dieser Stelle nochmal zusammen.

Was in den Achtzigern Arkadeautomaten waren, nämlich ein Groschengrab, dahin tendieren heute vor allem mobile Spiele. Dank In-App-Verkäufen, die sie quasi zum Fass ohne Boden machen. Ein kostenloses Spiel frisst unbegrenzt, wenn man einen nervösen Zeigefinger hat. Bekanntlich geben nur etwa 5 Prozent aller Spieler Geld aus, der Rest spielt dankend kostenlos. Aber dieser kleine Prozentsatz lässt Herstelleraugen leuchten. Und sie sind nicht überraschend im Visier der Macher…

Zum Begriff „Whales“: bezogen auf Casual Games sind das diejenigen Spieler, die viel Geld in kleine Spiele stecken. Die weitgehend kostenlosen und viel-gespielten Casual Games setzen ja meist auf In-App-Purchases: Kleine Beträge für Extraleben, Gadgets und andere mehr oder weniger sinnvolle Extras. Die überwiegende Mehrheit der Spieler gibt nie Geld aus, ein kleiner Teil aber schlägt zu. Hier ein Extraleben, da ein Extra-Boost – sind ja nur Kleinst-Beträge um 1 oder 2 Euro herum. Wohlgemerkt: Der Begriff „Whales“ stammt von den Herstellern selbst. „Whale watching“ nennen Hersteller das fokussieren auf diese dicken Fische. Wenn man sich das Programm der Casual Connect ansieht, findet man diesen Begriff häufiger. Natürlich wäre es Unsinn, Herstellern anzukreiden, dass sie offen diskutieren, wie man ein Spiel am besten finanziert. Es gibt aber Grenzen und einen mehr oder weniger schmalen Grat, den viele Hersteller beschreiten.

Wo’s um Geld geht, ist nicht alles blütenweiß. Es ist wie bei diesen Joghurts für Kinder, die mit lustigen Zwergen oder niedlichen Monstern und gesunden Zutaten werben, die eigentlich umgerechnet 270 Stück Würfelzucker enthalten. Die Macher von Ridiculous Fishing (iOS) vertreten eine eher extreme Position. Sie sagen, in-app-purchases geht nicht ohne „evil“ zu sein. Sie verkaufen ihr Spiel lieber und der Rest geht „aufs Haus“.

But since its almost impossible to do F2P in a non-evil way and without sacrificing the elegance of your game design, we’ll prefer to charge $3.

Gunnar Lott, Podcast-Macher, Ex-Journalist und aktuell PR-Mann bei flaregames, kann das nicht nachvollziehen: „Ich finde, dieses Vlambeer-Spiel, über das so viel geredet wird, ist ein ganz gutes Beispiel dafür, wie da Philosophien aufeinanderprallen. Ich hätte gerne das Spiel als f2p-Spiel gehabt. Und ich wäre mir da nicht schlecht vorgekommen. In diesem Spiel brauche ich Spielwährung und das kriege ich nur durch endlose Repetition des relativ schmalen Spiel-Konzepts. Ich mache immer wieder dieses Angeln und das dauert Stunden, bis ich das Geld zusammen habe. Und ehrlich, wenn ich da für 79 Cent die längere Angelschnur kaufen könnte, hätte mir das gut getan.“

Ich spiele Ridiculous Fishing auch und Gunnar hat nicht unrecht: Es ist auf Dauer relativ repetitiv. Das hat es allerdings mit vielen Casual Games gemeinsam. Tetris funktioniert so und all die anderen „Match-3“-Spielchen. Wenn ich für kleinere Geldbeträge schneller vorankommen kann, wird es nicht unbedingt ein besseres Spiel. Das Spielkonzept ist und bleibt eher schmal, auch wenn es eine Weile lang unterhaltsam ist und sehr viel Charme hat.

Aus dem Hause flaregames kommen Titel wie „WordOn HD“ (iOS, Android) oder Royal Revolt: Die sind gratis, die üblichen Dinge (Ingame-Währung, Werbefrei, etc) kann man in-App kaufen. WordOn HD lässt sich auch ohne In-App ganz gut spielen. Die Werbung ist dafür relativ penetrant (für 2,69 ist sie weg) und ich musste doch relativ hart für meine Ingame-Moneten ackern. Das kann aber individuell völlig anders aussehen, ähem. Aber wenn es mich nervt, lasse ich es eher sein, als dafür ernsthaft Geld auszugeben.

Natürlich versuchen die Hersteller herauszufinden, wie man die Spieler an sein Spiel bindet und wofür sie bereit sind, Geld auszugeben. Aus Auswertungen weiß man: Die meisten Mobil-Spieler verschwinden wieder während der ersten 30 Tage (Quelle: Vortrag Irina Liashchuck auf der Casual Connect, Head of Marketing bei Zigi, einem Firma, die sich um mobile Advertising kümmert). Und nur etwa 5 % geben Geld aus. Hersteller wissen aber auch: Wenn sie die Spieler zu sehr unter Druck setzen, verschwinden sie schlicht und ergreifend. Schließlich kann man niemanden zum spielen zwingen.

Das Problem: Casual Games richten sich an diejenigen, die nicht schon in den Achtzigern in Arkadehallen auf die harte Tour gelernt, dass sich kleine Groschen irgendwann mal auf stattliche Beträge summieren. Diese vielzitierten „neuen Zielgruppen“ sind zum Beispiel Frauen, die sonst mit Spielen wenig bis nichts am Hut haben. Oder Kinder. Nun kann man argumentieren, dass Eltern das mittlerweile drauf haben müssen, mit der Medienkompetenz. Und logischerweise muss und wird es einen Lernprozess geben. Allerdings bedeutet das nicht, dass Hersteller immer nur nett sind. Oder fair. Und ein Spiel, dass vor allem darauf zielt, Extraleben und weitere Spielvorteile zu verkaufen, ist vielleicht einfach ein beschissenes schlechtes Spiel.

Ein bisschen anderes Thema ist Werbung im Spiel. Die nervt vor allem, auch wenn man sich gelegentlich freikaufen kann. In Browserspielen lässt die sich natürlich noch besser platzieren, als bei mobilen Spielen, die einen eher kleinen Screen haben. Auch dafür gibt es natürlich Experten, die sich auf diesen Markt spezialisiert haben. Einer davon ist Marlon Werkhausen von GAN: „Der Casual Games-Bereich ist ja dadurch geprägt, dass es quasi immer alles online ist… sie sind so immer erreichbar, sehr kurzweilig, die Leute sind viel intensiver im Spiel-Erlebnis. In dieser Zeit kann man sehr gut Markenbotschaften einflechten. Das ist der Unterschied zu dem, was früher auf der Konsole möglich war. Dort musste man früher die Werbung in das Spiel einprogrammieren, jetzt ist das schneller und einfacher möglich. Und über das schnelle Wachstum, diesen Casual Games Bereich sind sehr viele Leute angesprochen worden. Auf einmal finden sich attraktive Zielgruppen, was früher über die Konsolentitel so gar nicht abzubilden war.“

In Spielen wie My Free Farm muss man beispielsweise Busfahrten unternehmen, die Zeit kosten. Die kann man abkürzen, indem man sich einen Werbespot ansieht. Wenn ein Hersteller das zu penetrant macht, sind die Spieler allerdings auch schnell weg. Die Frage ist, wie sich die Spiel-Balance und auch Gameplay ändert, wenn Entwickler Verkauf und Werbung von Beginn an mit einplanen müssen. Marlon meint, die Balance in den Spielen wird dadurch nicht gestört, solange der Publisher die Hand drauf hat, das es gerecht zu geht. „Wir orientieren wir uns auch immer danach, dass die Spiele nachhaltige Nutzerbindung haben, was immer ein Garant dafür ist, dass die Balance schon recht ausgeklügelt ist.“ Will sagen: Die Werbe-Experten kommen erst zum Einsatz, wenn sich ein Spiel bereits bewährt hat.

Zurück zu den In-App-Käufen. Wie „evil“ sind die nun? Ich würde sagen, es wird unschön bei sowas wie Candy Crush Saga. Es ist eines der derzeit erfolgreichsten Casual Games. Das es kein besonders origineller Klon einer altbekannten Idee ist, tut dem Erfolg keinen Abbruch. Es ist kostenlos, aber: Der Fun ist dann vorbei, wenn man grade richtig Spaß hat. Aber hey, kein Problem, kauf einfach Extraleben. Für kleines Geld! 89 Cent! Oder das gestreifte Amulett: Für 35,99 Euro. Gehts noch? Nun wird natürlich niemand gezwungen, den Quatsch mitzumachen.

Gunnar meint: „Gerade spezifisch Casual Games sind ja vom Game-Design her erforschtes Territorium. Das sind halt Spiele, die gibt’s halt tausendfach. Sowas wie Candy Crush Saga, um mal eins zu nennen, das ist ein Spiel, das basiert auf dem alten Match 3 Gedanken, so wie Bejeweled. Die machen sich nicht so wahnsinnig viel Mühe, da was neues zu erfinden, die optimieren, was es schon gibt. Und dann haben sie relativ viel Entwicklungszeit, sich auf anderes zu konzentrieren. Und das ist halt natürlich auch die Monetarisierung. Dazu kann man moralisch stehen wie man will, das ist deren gutes Recht, Geld einzunehmen von den Usern, aber es ist etwas, was nicht jeder machen muss. Es ist eine Entscheidung auch des Entwicklers.“

Mir ist schon allein die grottig-bunte Optik von Candy Crush ein Gräuel. Spielt doch lieber Bejeweled, dass ist vielseitiger und ebenfalls kostenlos.

Zum Thema Spiel-Design habe ich auch Gunnar nochmal gefragt: Was bedeutet es fürs Design, für den Entwickler, wenn Spiele via In-App-Purchases Geld verdienen müssen? „Es ist nicht nur bei Casual Games, sondern auch bei Hardcore Games und das bedeutet, dass der Entwickler das auf eine bestimmte Art einbauen muss, damit es Akzeptanz findet. Also es verändert das Spiel-Design.
Zum Guten oder zum Schlechten? „Das ist eine Frage davon, wie man es macht. Wir halten uns zugute, dass wir ein sehr faires Free2Play-Modell fahren. Wir wollen, dass die Leute möglichst viel Spiel erst mal bekommen, um dann auf Basis dessen, was sie schon erspielt haben, eine Entscheidung treffen zu können. Wenn man 2 Stunden unser Spiel Royal Revolt gespielt hat, hat man schon einen gewissen Wert mitgenommen und trifft auf einer ganz andern Basis eine Entscheidung, ob man da Geld ausgibt oder nicht, als man sie zum Beispiel in einem Elektronikmarkt trifft, wo man für 70 Euro das Spiel kauft, was man noch nicht mal richtig gesehen hat.

Natürlich ist es so, dass Spieler mit den kostenlosen Spielen quasi eine unendliche Menge an Spielen zum ausprobieren bekommen. Viele davon sind ja problemlos spielbar, ohne Geld auszugeben.

Auch dafür gibt’s gelungene Beispiele: Catcha, Catcha, Aliens! ist streng genommen ein Temple Run-Klon. Aber es ist kein billiger Abklatsch, sondern hat mehr als eine eigene Idee. Es ist witzig vertont und liebevoll animiert. Man bekommt es kostenlos und kann für Spielgeld die üblichen Goodies kaufen. Oder sie per In-App-Käufen erwerben. Für maximal 9 Euro wird man mit Spielwährung zugeschmissen. Doch die interne Spielwährung ist so leicht zu erspielen, dass es dafür schon sehr viel Ungeduld braucht. Oder Blödheit…

Nochmal Gunnar: „Der Entwickler kriegt eine maximale Verbreitung, weil viele Leute das Spiel erst mal haben können und er hat die Chance für einen Pitch, kann also sagen, ‚hier, spiel mein Spiel, es ist kostenlos und über Geld reden wird… später!‘ Und der Spieler kriegt halt massenhaft Spiele erst mal kostenlos. Und dann hat der Spieler aber die Chance oder auch die Pflicht, da Spreu vom Weizen zu trennen und zu sagen, also das bin ich nicht bereit mitzugehen. Dieses Spiel gibt mir 5 Minuten Spieldauer und dann will es mir schon die Energie auf Null setzen, damit ich nicht weiterspielen kann, da bin ich in einer Situation wie in den Achtzigern, vielleicht erinnert man sich noch, wo es diese Arkadeautomaten gab, wo man immer eine Mark reinwerfen musste, damit man weiterspielen konnte. Diese Situation gibt es selbstverständlich. Und das ist natürlich ein bisschen unfair, je nachdem, wie mans macht. So wie auch damals diese Automaten unfair waren, weil sie so gebaut waren, dass man möglichst nach 30 Sekunden starb, damit man wieder was nachwerfen muss. Man kann das aber natürlich auch so gestalten, dass man den Spieler möglichst lange hält im Spiel und dazu muss man einigermaßen fair sein. Das schaffen nicht so viele Spiele, das wirklich gut zu machen, weil das ist immer ein schmaler Grat zwischen ökonomischen Überlegungen, das Spiel hat ja Geld gekostet in der Entwicklung und einem gewissen Fairness-Gedanken oder auch dem Versuch eine möglichst breite Kundschaft möglichst nicht zu verschrecken.

Am Ende muss man sagen: Die Welt der Casual Games und der Bereich In-App-Sales, lässt sich nicht so ohne weiteres in gut und böse aufteilen. Man kann weder sagen, dass hier generell wüst abgezockt wird, noch, dass es immer fair zugeht. Das weiß man ja auch schon, seit Zynga schlechte Presse hatte, wegen ihrer zu Beginn aggressiven Art und Weise, Spieler zum Geld ausgeben zu verlocken. Hier wird wohl ein Lernprozess ablaufen, wie auch in anderen Bereichen. Klingeltöne und putzige Tierchen fürs Handy kauft inzwischen niemand mehr. Und das war ohnehin ein viel widerlicheres Feld. Oder womöglich dringt irgendwann mal jemand darauf, zumindest Obergrenzen zu schaffen, ab denen man gewarnt wird. So wie beim Roaming im Ausland: Achtung, aber jetzt wirds teuer!
Letztlich müssen auch die Spieler zusehen, ob sie schon im Wal-Bereich schwimmen, oder als kleiner Fisch.

Vom Groschengrab zur Cent-Grube…
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2 Kommentare zu „Vom Groschengrab zur Cent-Grube…

  • April 9, 2013 um 3:35 pm Uhr
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    Schlimmes Thema.. Nicht auszudenken, wie „Plants vs. Zombies“ aussähe, wäre es 2013 auf den Markt gekommen.

    Wie das wäre, kann man sich ja ganz einfach vorstellen, wenn man sich Popcaps diverse „Blitz“-Produkte anschaut – Allesamt Panhandle-Ware.

    Schockiert hat mich das schon im letzten Jahr, als der ehemalige Visionär Trip Hawkins auf der CCE allein darüber referiert hat, wie man die Whales am leichtesten schröpft.

    Irgendwann beschreitet der ganze F2P-Mist hoffentlich den Weg, den 1983 „E.T.“ & Co. vorgegangen sind. Aber ehe das geschieht, steht bestimmt noch viel, viel mehr Übel bevor – Waren das nächste große Ding(TM) auf der Casual Connect in diesem Jahr nicht Casino Games?

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  • April 10, 2013 um 1:24 pm Uhr
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    Ja, sie nannten es „Social Casino Games“ und haben das ausgerechnet zum thematischen Schwerpunkt gemacht…

    Antworten

Und jetzt ihr!

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