Ich gestehe, ich habe ein neues Hobby. Es ist nichts weniger als die Vermessung der Welt und zwar via Geo-Apps. Ehrlich gesagt bin ich zum ersten mal bei Twitter darüber gestolpert. Da fande sich auf einmal Tweets, die da hießen: I am at Hofbräuhaus…“ oder „I am at Café Leckerli“. Im ersten Moment fand ich das seltsam, warum sollte irgendjemand via Twitter posten, wo er grade ist? Wenn man die Frage so stellt, muss die Antwort vermutlich „niemand“ lauten. Nachdem ich allerdings Gowalla und inzwischen auch Foursquare ausprobiert habe, würde ich die Frage so nicht mehr stellen. Man muss ein wenig ausholen. Bei den genannten (und es gibt noch einige mehr) Apps geht es im Prinzip darum, Räume (und Menschen) zu entdecken. Ihr kennt eure Nachbarschaft doch in und auswendig? Dann entdeckt ihr sie neu. Ihr guckt unterwegs lieber umher? Schön, aber es schadet nicht, mal kurz schaut auf dem Smartphone zu checken: vielleicht gibts um die nächste Ecke was Entdeckenswertes!

Vielleicht erst mal eine Erklärung, wozu die Apps überhaupt dienen sollen. So bekannt sind sie nämlich hierzulande noch garnicht. In ein paar Sätzen erklärt, funktioniert das ganze so: Man startet die App und tippt auf Places/Spots. Über den GPS-Chip des Handys wird (im Hintergrund) eure Position festgestellt und nun alle Orte in der Umgebung angezeigt. Das können Supermärkte, Cafés, Parks, Denkmäler oder sonstiges sein. Seid ihr beispeilsweise gerade in einem Café, das bereits bei Gowalla/Foursquare eingetragen ist, könnt ihr „einchecken“. Dabei kann man virtuelle Gegenstände finden, sammelt Stempel in seinem Reisepass oder wird gar zum Bürgermeister einer Location. Außerdem kann man sich natürlich mit anderen Nutzern befreunden und sieht dann, wer sich gerade wo aufhält. Zusätzlich kam man auch mit einem Klick via Twitter oder Facebook bekannt geben, wo man gerade ist. Man merkt also: Eigentlich sind diese Dienste ein Mix aus interaktivem Fremdenführer und sozialem Netzwerk und das ganze mit einem spielerischen Aspekt. Und es macht unglaublichen Spaß.

Lustigerweise bin ich tatsächlich bereits Bürgermeister bei 3sat, was allerdings eher an wenig Konkurrenz liegt. Tatsächlich macht es mir aber am meisten Spaß, Plätze neu anzulegen. Spots oder Places heißen sie bei den amerikanischen Entwicklungen Gowalla bzw. Foursquare. Es führt nämlich dazu, dass man seine Umgebung ganz neu entdeckt und tatsächlich sowas wie Entdeckergeist entsteht. Ich bin am Wochenende oft unterwegs im RheinMain-Gebiet, im Odenwald, am Rhein oder im Taunus. Letztes Wochenende zum Beispiel in Michelstadt. Das ist eine der ältesten Siedlungen im Odenwald mit einem wunderschönen mittleralterlichen Stadtkern. Dort gibt es ein restauriertes Häuschen aus dem 17. Jahrhundert, in dem ein winziges Hotel und ein Café untergebracht sind. Es trägt den schönen Namen „Die Träumerei„. Man kann kaum daran vorbei gehen, einfach weils so nett aussieht (was man von dem maulfaulen Kellner nicht direkt sagen kann). Ein Blick in die Speisekarte verrät: Es wurde 2008 von der nicht ganz unbekannten Schauspielerin Jessica Schwarz und ihrer Schwester Sandra eröffnet. Ein weiterer Blick in Foursquare verrät: Der Ort wurde noch nicht angelegt. Was ich natürlich sofort abgestellt habe 😉

Gowalla oder Foursquare nehmen sich nicht viel, muss ich sagen. Foursquare hat vielleicht etwas mehr spielerischen Anreiz, indem es eben den Titel „mayor“ vergibt oder man Abzeichen (Badges) erringen kann. Zum Beispiel das Abzeichen „local“, wenn man drei mal innerhalb einer Woche am gleichen Platz ist. Gowalla lässt einen virtuelle Gegenstände finden, was völlig schräge Dinge sein können: Von der Expresso-Maschine bis zum Stück Pizza. Man kann auch Gegenstände „fallenlassen“. Dadurch soll wohl so eine Art Sammeltrieb geweckt werden, aber der Sinn und Zweck bleibt etwas nebulös. Der spielerische Aspekt ist aus meiner Sicht, wie gesagt, bei Foursquare etwas besser. Gowalla ist dafür optisch etwas ansprechender, übersichtlicher und sehr intuitiv bedienbar.

Es gibt inzwischen auch mindestens ein deutsches Pendant, namens Friendticker. Das Berliner Startup bietet mit seiner App sogar die Möglichkeit, virtuelle Gegenstände in reale umzutauschen. Das ist natürlich wiederum Anreiz für Nutzer, aber auch für beispielsweise Gastronomen, die Geo-Apps für sich zu entdecken. In München bietet beispielsweise die Bar „Niederlassung“ dem jeweiligen Mayor ein Freibier an. Noch sind es aber recht wenige deutsche Gastronomen oder Unternehmen, die den Nutzen solcher Apps erkannt haben. Die Frage ist natürlich auch, wieviele Nutzer die diversen Apps hierzulande haben. Ohne GPS-fähiges Smartphone machen die Apps natürlich wenig Sinn.

Über die Geo-Apps ist derzeit viel zu lesen: In der FAZ, Spiegel Online bei Chip.de oder in der Frankfurter Rundschau. Natürlich kommt auch ein Kritikpunkt zur Sprache, der auf der Hand liegt: Man gibt ja gewissermaßen eine Art freiwilliges Bewegungsprofil von sich frei. Tatsächlich überlege ich mir schon, an welche Plätzen ich einchecke oder welche ich anlege. Und nicht jedes Mal teile ich die Checkins über Facebook mit. Über Twitter tue ich es nie, weil ich da nicht in der Hand habe, wer mir folgt. Bei Facebook weiß ich zumindest: Mit wem ich hier befreundet bin, den kenne ich persönlich.
Und in meinem zu Hause ist die Bürgermeisterstelle nicht zu vergeben. Die Chefin bin ich, der Posten steht nicht zur Wahl, damit das klar ist 😉 Checke ich allerdings die Umgebung, habe durchaus einige ihr Zuhause als Spot angelegt. Nicht weit von mir zeigt Gowalla ein „Zuhause“ an und mit Foursquare finde ich etwas weiter weg „Ute, Jule und Marco“. Andererseits stehen letztere vielleicht auch im Telefonbuch, warum nicht auch in Foursquare? Letztlich muss das wohl jeder selbst wissen, denn entscheidend ist: Die Angaben sind freiwillig.

Nächste Woche besuche ich im Dienste von 3sat neues übrigens den Blogger und Journalisten Michael Praetorius, ebenfalls ein reger Foursquare-Nutzer. Mit ihm will ich in ein oder zwei Münchener Cafés „einchecken“ und dabei ein wenig über diese Weltvermessung via Geo-Apps plaudern. Den Beitrag darüber könnt ihr dann am 16. Mai in neues sehen.

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Die Vermessung der Welt: Geo-Apps
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