Phil Fish ist raus. Der Frankokanadier wurde als einer der Indie-Entwickler bekannt, deren Schaffenskrisen 2012 in der Dokumentation „Indie Game – The Movie“ zu sehen waren. Der haareraufende, über-emotionale Entwickler zeigt sich in der Dokumentation schon als bisweilen etwas unversöhnlicher Zeitgenosse, der sich mit seinem Ex-Geschäftspartner bis aufs Blut stritt, woran beinahe die Veröffentlichung des Spiels scheiterte. Phil Fish hat den Plattformer „Fez“ entwickelt, der via XBox Live veröffentlicht wurde. Wir haben letztes Jahr von der GDC über Fez, Phil und den Film berichtet.
Wenn man mal persönlich mit jemandem gesprochen hat, hat man logischerweise ein anderes Bild, als wenn man nur im Netz darüber liest. Vor einigen Tagen hat Phil Fish seine letzten Tweets getan. FEZ II ist gecancelled und zusätzlich kündigte Phil an, raus aus dem Games-Geschäft zu sein.
Zitat von der Website seines Studios Polytron:
„this is as much as i can stomach.this is isn’t the result of any one thing, but the end of a long, bloody campaign.“
Natürlich kann man sagen: Der Kerl spinnt. Und fragen: Welche Kampagne? Und wer derart polarisierend (und ihm dürfte klar sein, was er da tut) öffentlich auftritt, der darf sich nicht wundern, wenn er Trolle anzieht wieder der Ballerman die Sangria-Eimer. Wenn man sich mal die Kommentare auf der Polytron-Website antut, kann man allerdings schon die Augen rollen, was den Kommentar-Orks so alles einfällt. Ganz ehrlich: egal wie provokant Phil aufgetreten sei mag, wer sich so benimmt, darf sich nicht wundern, wenn Gamer als die neuen Hooligans oder Arschlochgamer abgetan werden. Videospiele sind ein modernes (Pop-)kulturgut? Ja, nur die Rezipienten benehmen sich teilweise wie Hools in den Neunzigern. Das mag eine kleine, wenn auch lautstarke Minderheit sein und möglicherweise sollte man das einfach ignorieren.
Andererseits: Phil ist jemand, der sagt was er denkt. Oft ohne lange nachzudenken. Ich habe ihn dafür geschätzt. Vermutlich ist er damit einfach nicht gemacht für die überkritische Gamer-Community. Man kann nur spekulieren, wer sich hinter Pseudonymen wie „BlowFish“ oder „Adoll Knitler“ verbirgt. Vermutlich Jungs deutlich unter 20. Also genau die Haupt-Zielgruppe, mit der die meisten Medien, jedenfalls die fachfremden, Spiele als pubertären Idiotenkram abtun. Oder bestensfalls als Wirtschaftsnews vermelden, in der Sätzen fallen wie: „Die Spiele-Industrie verdient mehr, als die Filmbranche“. Und: „Die Grafik wird immer realistischer“.
Mit Pixelmacher versuchen wir, anders über Spiele und den Videospiel-Betrieb zu berichten. Wenn dieser das zulässt. Der Diss geht also gleichermaßen an die Spieler, wie auch die Industrie. Ich habe auf der E3 verzweifelt nach jemandem gesucht, der sagt, was er denkt. Und auch wenn man der Spiele-Industrie schlecht vorwerfen kann, dass sie ihre Entwickler auf Medien-Anfragen hin trainiert, hat auch niemand etwas davon, wenn die Aussagen dann nur noch wachsweiches Blabla sind. Ja ja, ihr macht ein familienfreundliches Puzzle-Adventure und das macht dolle viel Spaß. Das man unterhaltsame Interviews auch professionell geben kann, zeigt Peter Molyneux ja gerne und oft.
Wenn Theater-Regisseure nicht mal Dinge sagen würden wie Frank Castorf, wäre der etablierte Kulturbetrieb auch schauderhaft bieder: „Wenn Kunst nicht auch ’nen Sex-Appeal hat, kann ich’s nicht mehr sehen“, sagt Frank Castorf, „dieses ganze postmoderne Gerümpel mit grünen Schrägen und roten Welteschen“. Mit solchen Aussagen schafft Castorf regelmäßig, den konservativen Theatergängern Schaumbläschen an die Mundwinkel zu zaubern.
Das müssen die aber aushalten. Was den einen hui ist den anderen pfui. Für die meisten Menschen, die sich für Videospiele interessieren, wäre Carstorfs Wagner-Inszenierung in Bayreuth vermutlich schon der Gipfel des kulturspießbürgerlichen Grauens. Wobei ich mir das im vorigen Absatz verlinkte Interview tatsächlich angesehen habe und so jemanden gerne mal ein Videospiel inszenieren sehen würde.
Was ich sagen will: Der Videospiel-Kulturbetrieb braucht provokante Personen, an denen man sich reiben kann. Genauso wie wir Blockbuster UND Indies brauchen. Sicher wäre es anstrengend, wenn alle wie Phil wären. Er ist sicher allzu schnell bereit, eine Angriffsfläche zu bieten. Er nimmt enorm schnell jede Beleidigung zum Anlass, wütende Antworten zu geben, statt sie einfach zu ignorieren. Ich kann ihm aber kaum verdenken, dass er sich ärgert.
Und was die Spieler betrifft: reißt euch zusammen. Das ist doch kein Kindergarten. Da gibts auch einen Hort für Grundschüler… Und weiterführende Schulen. Wenn ihr versteht, was ich damit sagen will.
Lesetipp dazu, btw: Der Edge-Artikel zum Thema.
Ich habe diese Post jetzt ziemlich schnell runtergeschrieben und springe ein bisschen hin und her. Die Gedanken sind ein bisschen unsortiert. Ich bitte das nachzusehen. Ich war etwas in Rage. Und damit meine ich NICHT das gleichnamige Spiel 😉