Es ist Buchtipp-Zeit: Wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, sollte in Steven Berlin Johnsons Buch „Everything Bad Is Good For You“ reinlesen. Das schmale Büchlein gibt allen Kulturpessimisten(und davon gibts hierzulande besonders viele) ordentlich eins auf den Deckel. Den bis zum Erbrechen runtergeleierten Ausspruch, Fernsehen und Computerspiele machen dick und doof, rührt der Amerikaner einmal gut durch und raus kommt etwas ganz anderes…
Witzig und clever räumt Johnson mit so einigen Dingen auf. Besonders schön ist dabei sein Gedankenexperiment zum Thema Spiele: Man stelle sich eine Welt vor, in der Computer- und Videospiele sein Jahrhunderten selbstverständlich sind und zum Alltag Aller gehören. Dann erfindet jemand das Buch.
Er zitiert nun erfundene Kritiker und besorgte Eltern. Die jaunern, dass auf einmal der Nachwuchs, statt kommunikativ LAN-Partys zu besuchen, einsam in im Zimmer sitzt und liest. Und das Bücher so erschreckend eindimensional seien. Schließlich müsse man da nur einer linearen Geschichte folgen, ohne Wahlmöglichkeiten, ohne Interaktion, ohne verschiedene Ebenen wie Musik, Sprache, Bild. Nun würden die sonst so lebhaften Kinder sich hibter Buchdeckeln eingraben.
Nur fürs Protokoll: Er findet natürlich selbstredend nicht, dass Bücher schlecht sind. Aber er macht deutlich, wie schwach die so vehement vorgetragenen Thesen von Spielen als Ursache und einzige Vorlage für Gewalt und Brutalität sind. Er zeigt, wie und was man vom Spielen lernen kann. Zum Beispiel wie spannend es ist, mit wenigen Hilfsmitteln (z. B. Tutorials), herauszufinden, was das Spiel vom einem will. Welches System liegt zugrunde? Wie kann ich gewinnen? Was passiert, wenn ich dies oder jenes versuche?
Die Spiele von heute, namentlich nennt er GTA oder die Sims, sind natürlich viel komplizierter, als die ersten simplen Games wie Pacman. Die heutigen Spiele bringen den Spielern bei, taktisch zu spielen, Entscheidungen zu fällen, abzuwägen, verlangen komplexe Aktionen und vor allem bei Ego Shootern Teamwork und Gruppen-Koordination.
Ähnliches beschreibt er auch für andere Medien, wie dem Fernsehen. Dabei sei nicht der Inhalt anspruchsvoller geworden, aber die Aufbereitung. Serien wie Denver Clan oder Dallas waren ganz simpel gestrickt: In jeder Folge ein Handlungsstrang, die Figuren wurden immer neu vorgestellt. Mehrere Ebenen, Anspielungen, Wortwitz, all das sucht man dort vergeblich. Aber damals wurde es eben auch nicht vermisst. Aber einige Jahrzehnte Fernsehen habe die Ansprüche und auch die intellektuellen Fähigkeiten von Zuschauern wachsen lassen, schließt er aus der Veränderung hin zu immer komplexeren Serien.
Wie zuletzt ganz extrem am Beispiel von Lost zu sehen, wie ich anmerken möchte. Johnson nennt aktuelle Serien wie Emergency Room oder „24“, die einen aufmerksamen Zuschauer fordern. Da fallen Fachbegriffe, es werden bewusst Lücken gelassen, die erst viel später geschlossen werden oder vom Zuschauer gefüllt werden müssen und es gibt auch immer mehrere Handlungsstränge, die es zu verfolgen gilt. Das läßt sich am Beispiel vieler Serien, von den 70/80ern bis heute, verfolgen.
Mit anderen Worten: Der Umgang damit kann uns schlauer machen. Anmerkung meinerseits: Muss natürlich nicht.
In jedem Fall eine spannende Medienbetrachtung. Empfehlenswerte Lektüre vor allem für CDU-Politiker und andere Leitkultur-Verfechter…
Der smarte Herr Johnson hat natürlich auch einen Blog. Eine Rezension zu seinem Buch gibts hier.
Und jetzt geht spielen!! 😉