Wollt‘ ich ja schon länger mal drüber schreiben. Habs aber aus keine-Ahnung-welchen-Gründen nie geschafft. Jetzt gabs gleich einige Anstöße, warum ich das jetzt endlich tun will. Angefangen hat 4Players Jörg. Herr Luibl echauffierte sich über Embargos, die Spielefirmen teilweise verhängen. Zugegeben, bei neues haben wir das Problem kaum, da wir meist sowieso erst kurz vor und rund um den nationalen Release-Termin berichten. Die meisten Print-Magazine oder Onlineporatle begleiten die Entwicklung eines Spiels unter Umständen Jahre vor der Veröffentlichung. Also muss dann irgenwann (möglichst schnell) mal ein Test her, um den Leser noch etwas zu bieten. Ich frage mich ja manchmal, ob das so sein muss, aber das ist wieder ein neues Fass. Möglicherweise liegt es auch daran, dass Spiele sehr lange von der technologischen Seite her betrachtet wurden. Und immer noch werden. Jörg moniert vor allem, dass Embargos eine Art Artenschutz für Printmagazine darstellten. Und, das es quasi Praxis sei, gegen eine garantierte Positiv-Bewertung exklusiv ein Printmagazin mit frühen Testmustern zu beliefern. Eine Praxis, die ich persönlich nicht beurteilen kann, da bei uns so etwas meines Wissens noch nicht vorgekommen ist.

Das Spiele nach wie vor stark aus technologischer Sicht beurteilt werden, lässt sich durchaus aus dem Beitrag von Petra Fröhlich zu diesem Thema schließen. Ich muss zugeben, ich hatte innerlich gerade Luft geholt, zu einer Tirade über das Kulturgut Spiel, dass man meiner Meinung nach nicht mit Prozentwertungen abstempeln sollte. Zong, da hat sie mir eben diese Keule hinterrücks bereits über den Hinterkopf gehauen. Und zwar, indem sie irgend etwas ganz, ganz gemeines von Schlaumeiern geschrieben hat, die seit Jahrzehnten die Prozentwertungen mit der Kulturgut-Keule niederknüppeln wollen. Na gut, dann eben nicht. Trotzdem: Petras Gegenargument bestätigt meine These, dass Spiele immer noch (zu sehr) unter technologische Gesichtspunkten gesehen werden. Features, führt sie nämlich als Punkt an, warum man Spiele nicht mit den Bewertungen von Büchern oder Filmen vergleichen könne.

Nun ja. Ich habe im Sommer ein Interview mit Christopher Schmitz, dem Producer von Anno, geführt und er hat mir das ganz Ding mit den Prozenten aus Publishersicht erklärt. Er stand auf dem Standpunkt, Spiele seien ja nun nicht ganz billig: Ein PC-Spiel rund 50 Euro, ein Konsolenspiel 60 Euro. Viel Geld für Jugendliche. Und die Kunden wollten nun mal nicht die Katze im Sack kaufen. Die würden sich also eine Zeitschrift kaufen, eher sogar mehrere und sich die Bewertungen ansehen, sagt Christopher. Die Ubisoft-Marktforschung habe gezeigt, dass sich nur Spiele richtig gut verkaufen, die in Richtung 90% Bewertung gehen. Die Zeitschriften beschreiben ja recht genau, wie sie testen. Und man könnte einen Film theoretisch mit ähnlichen Kriterien abtesten, meinte Christopher. Für mich ist diese Publisher-Sicht (also pro Prozentwertung) durchaus nachvollziehbar. Ich mag sie trotzdem nicht.

Wie würde eigentlich so eine Bewertung eines Films aussehen, wo am Ende eine Prozentzahl steht? Denkbar wäre, statt Gegener-KI die Tiefe der Geschichte zu bewerten, wie intelligent sie erzählt ist, die Verständlichkeit, die Kameraführung oder die schauspielerische Leistung. Aber auch technologische Kriterien wie Einsatz von Effekten, besondere Stunts oder was weiß ich noch für Zeugs. Das ist Quark? Klar, aber dann sagt mir mal, warum es das bei Spielen nicht ist? Auch wenn ich zugeben muss, das Spiele mit Wertungen zwischen 50 oder 60 Prozent in der Regel tatsächlich schlechte Spiele sind. Darauf kann man sich ziemlich sicher verlassen, dazu muss man die halbseitige Begründung aber gar nicht mehr lesen. Ha! Deswegen lesen die Jugendlichen (angeblich) heutzutage nicht mehr so viel: Die sind ja auf Prozente konditioniert und müssen bloß auf die Prozentzahl am Ende gucken. Achtung an dieser Stelle: Übertreibung verdeutlicht…

OK, die Meisterin der Abschweifung hat wieder zugeschlagen, zurück zum Thema. Und zur richtigen Reihenfolge. Auf Jörg Luibl hat nämlich Boris Schneider-Johne geantwortet, den ich hier wie gewünscht “Ex-Chefredakteur von PC Player” nenne. Er findet, dass man sehr wohl als Hersteller sagen kann, wenn ihr eine schlechte Bewertung abgeben wollt, dann wartet damit bitte bis Datum X. Weil die Hersteller die Spiele sehr viel früher einem Verriss aussetzen, als sie es müssten. Das ist für sie natürlich ein Risiko. Denn bei Computer- und Videospielen entscheiden die Kunden an der Ladentheke über den Erfolg eines Spiels. Sprich, direkt und nahezu ausschließlich vom Kunden/Konsumenten/Spieler. Andere Unterhaltungsmedien, zum Beispiel TV- Produktionen oder Zeitungen, finanzieren sich zu einem Gutteil über Werbung. Also müssen sich die Entwickler bzw. Publisher ziemlich stark an den Vorlieben der gewünschten Kunden orientieren. Womit wir wieder bei den anscheinend von der Spiele-Industrie mehrheitlich goutierten Prozentwertungen wären.

Klar, es dauert (erheblich) länger, ein Spiel soweit zu spielen, dass man es wirklich fair beurteilen kann. Länger, als ein Film mit Überlänge. Noch mal zurück zu Petra Fröhlich:

Zu einer Dragon-Age-Bewertung im sensiblen Bereich zwischen 75 und 95 Punkten gehört Spielzeit, Erfahrung und Mut – erheblich mehr Mut jedenfalls als für die Aussage „MIR macht das Spiel Spaß“. Oder: „Für MICH ist das nix“.

Das erklärt aber doch nicht, warum am Ende 75 oder 95 Punkte stehen müssen? Es sei denn, die PC-Games versteht sich als Stiftung Warentest für Spiele. Ich habe schon sehr, sehr viel Geld in teure Spiele-Zeitschriften gesteckt. Jahrelang. Inzwischen lese ich nur noch die Gee, weil ich die anderen Spielezischriften langweilen. Oft wird dort auch noch auf mehreren Seiten stolz wie Hulle erklären, wie sie genau testen. Mit Kuchen- und Balkendiagrammen, Punkten und Grafiken. Zuletzt habe ich irgendein XBox360-Mag gekauft, weil es das einzige war, was bereits einen Test von Tony Hawks „Ride“ drin hatte. Und ich musste eine lange Zugfahrt nach Berlin überstehen, um eben jenen Tony Hawk zu treffen. Die Bewertung in Zahlen oder Prozenten ist mir dafür herzlich egal. Ich will wissen, wie es sich spielt, ob es etwas besonderes bietet, etc pp. Das brauche ich in einem Fließtext. Sicher, eine Prozentwertung kann einen Text ergänzen. Muss er aber nicht.

Um das klarzustellen: Von mir aus darf jede Zeitschrift und jedes Portal Spiele mit Prozenten, Punkten, Eiern oder Strichlisten bewerten. Wenn die Kundschaft das so will, von mir aus und meiner Großmutter. Aber das kann nun nicht unumstößlich so sein. Das Gee-Magazin hat auch lange experimentiert. Erst wurde, glaube ich, von 1-10 Punkte bewertet, dann mit komischen Adjektiven (dufte, mufte, toll) und schlussendlich haben sie es ganz gelassen. Stattdessen macht Gee das ähnlich wie iTunes oder amazon: Kunden, die das gekauft haben, fanden auch das toll. Gee schreibt einfach, „für Fans von Spielen XY und XYZ“, und beschreibt in ein paar Zeilen, was ihnen gut gefällt und was sie nervt. Noch viel lieber lese ich aber ehrlich gesagt die Hintergrund-Berichte zu spielen. Nicht die Tests. Wenn ich einen Test lesen will, kaufe ich die Stiftung Warentest.

So. Fertig.

Dieser Text ist nicht ordentlich strukturiert, von keinem Chefredakteur gegen gelesen, redigiert und in keiner Redaktionsrunde diskutiert. Vielleicht wäre das besser gewesen. Vielleicht auch nicht. Hier bin ich der Chef 😉

Kulturgut vs. Prozentwertung

Und jetzt ihr!

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