Waschweiber, Twitter & der Tatort
In unserer Liste exotischer Reiseziele geht es als nächstes nach Hannover – in der gleichen Frage wie bei TubeOne: Löst das Internet das Fernsehen ab, wollen wir wissen. Und zwar von Nina LaGrande, Bloggerin, Poetry-Slammerin und Tatort-Guckerin. Dazu treffen wir uns in einer Kneipe, die sonntäglich den Tatort zeigt. Der Laden heisst „Waschweiber“ und Wäsche waschen kann man hier tatsächlich auch. Waschsalons halten sich wohl auch nur in Uni-Nähe bzw. Großstädten. In diesem hier haben die Waschmaschinen Namen. Vermutlich, damit man sich besser merken kann, in welchen man seine Socken geworfen hat. Wenn der Tatort los geht, kann man sich bei Platzmangel auch auf die Maschinen setzen, dafür gibts obendrauf extra Kissen. Ich verfolge den Tatort übrigens auf Beatrice – Sebastian und Ninia gepflegt am Tisch. Natürlich mit dem Handy in der Hand, denn Tatort ohne Twitter ist ja meist langweilig. Tatsächlich ist der gute, alte Tatort etwas, auf was sich erstaunlicherweise die meisten Menschen einigen können, fernsehseitig. Und das bei aller Kritik. Wo sonst vor allem bei Live-Sportereignissen oder Talkshows getwittert wird, ist der Tatort-Hashtag Sonntags in vielen Timelines sehr präsent. Warum? Vielleicht weil die Folgen meist so vorhersehbar sind, dass man bequem zu 80 Prozent der Laufzeit aufs Handy gucken kann? Das gilt aber auch für die meisten (wenn nicht alle) Vorabend-Serien.
Sebastian & Ninia müssen sich an diesem Tatort-Abend jedenfalls auf sehr viele Dinge gleichzeitig einlassen: Film gucken, twittern UND ein Gespräch zum Thema führen. Zum Glück wars ein eher gemächlicher Folge aus Wien. Bei der Folge aus Bremen wärs noch schwieriger geworden: Über diese verzwickten Plot-Twist-Aneinandereihung schrieb Zeit Online „Zittern statt twittern“. Die Wiener ließen es etwas ruhiger angehen, so dass Herr Nuss und Frau LaGrande auch zum Plaudern kommen.
Ninia schrieb mir netterweise ein paar Gedanken zum Thema:
Ich glaube nicht, dass das Netz das Fernsehen komplett ablösen wird. Bei jeder Medienrevolution haben die Leute das gedacht und wir lesen immer noch Bücher, hören Radio und gucken Fernsehen. Es wird vielmehr parallel existieren und in den meisten Fällen werden im TV nur die Formate überleben, die zusätzlich auch ein gutes Online-Programm anbieten (ob Zusatzinformationen, Hintergründe oder Mediatheken).
Ich denke, dass das Netz sich so gern mit dem #tatort beschäftigt, weil es etwas von dieser alten Lagerfeuer-Romantik hat. Wir sitzen ja quasi alle beisammen und schauen gemeinsam einen Film. Und es ist einfach unglaublich lustig (je schlechter der Fall ist), sich mit Freund_innen aus dem Netz darüber auszutauschen. Ich kann ja nicht meine gesamte Twitter-Timeline zu mir nach Hause einladen. Obwohl… ;). Mit einer Vorabendserie oder anderen Formaten funktioniert das nicht so gut, weil zu dieser Zeit niemand zuhause ist. Sonntagabend ist allerdings immer noch irgendwie heilig. Die meisten fläzen nur auf dem Sofa und versuchen, nicht an den Montag zu denken. Der #Tatort ist einfach eine absolute Tradition – und dabei sei dahingestellt, ob gut oder schlecht.
3 Typen, 1 Reporter, und viele Fragen an einen Anwalt
Unsere nächste Station ist das Tonstudio der 3Typen. Sebastian will sich vors Mikro stellen: ein „Urheber-Rap“ ist schon getextet. Klar, dass er damit ganz groß rauskommen und Youtube zerstören wird. Weil, also… tja. Das kann ich an dieser Stelle nicht so genau ausführen, denn da würde ich jetzt spoilern. Zumal noch einiges passieren wird. Wir wissen selbst nicht genau, was. Thematisch sind wir nun jedenfalls bei Folge 4, wo es um Urheberechte im Netz geht. Das Thema kennen alle, die einigermaßen netzaffin und Medieninteressiert sind: Filesharing, Diskussionen über das Recht auf Remix, gesperrte Videos auf Youtube, etc pp. Was wir in diesem Fall machen wollen, ist aus der Perspektive von Nutzern zu agieren, herauszufinden, in welche Fallen man tappen kann, welche Konsequenzen es im Einzelfall haben kann. Unser Ansatz ist tatsächlich eher unkonventionell, weniger journalistisch als vielmehr aktionistisch. An dieser Stelle nur soviel: Sebastian hat getextet, die 3 Typen haben die passenden Beats zusammengeworfen und Sebastian Nuss unterschreibt seine Mails jetzt nur noch mit Mix Master Nut.
Von Spaßbremsen und Anwälten
Nach einem Zwischenstopp auf dem Mainzer Leichenberg fahren wir nach Frankfurt, in eine Anwaltskanzlei. Selbige vertritt vor allem Kreative: Künstler, Produzenten, Autoren, Designer oder auch Produktionsfirmen und Verlage. Wir bleiben beim Thema Urheberecht bzw. Musik & Medien im Netz. Wir haben einige generelle Fragen an die Kanzlei, die unter anderem auf Medienrecht & Musik spezialisiert ist und ein konkretes Anliegen, wo ich immer noch aus genannten Gründen nicht ins Detail gehen kann.
Vor 5 oder 6 Jahren war das Thema Abmahnwelle oder Massenabmahnungen noch ein sehr großes und emotional diskutiertes. Das hat sich tatsächlich massiv gewandelt. In das Thema ist, teilweise hinter den Kulissen, viel in Bewegung gekommen. Inzwischen gibt es viele legale, redaktionell gut betreute Streamingangebote, sowohl im Bereich Musik als auch Filme & Serien. Was und wie viel sich bewegt hat, hat uns tatsächlich ein bisschen überrascht, weil wir im Vorfeld, bei der Recherche, noch einen etwas anderen Eindruck hatten. Allerdings muss ich immer wieder selbstkritisch feststellen, dass die eigene Vorstellung das Recherchenergebnis natürlich beeinflusst. Je mehr wir auf Menschen treffen, die aktuell mit dem Thema zu tun haben, desto mehr wandelt sich das. Sortiert man die Surf-Ergebnisse ein bisschen, dann findet man vor allem um 2009 herum wütende Blog-Posts und kritische Berichte über die Abmahnpraxis. Danach wird es leiser, differnezierter. Doch die Diskussion war zeitweise extrem emotional. Sehr schön beobachten kann man das übrigens auch am WOT-Addon für Firefox. Dieses Addon zeigt mit Ampel-Symbolen vertrauenswürdige Websites an. Eigentlich geht es darum, Nutzer vor Scams, nicht vertrauenswürdigen Links und übelgesinnten Webstores zu warnen. Jeder Nutzer kann Websites bewerten und auch erklären, warum er sie beispielsweise auf rot setzt. Googelt man die GEMA, ist der allererste Link rot markiert. Man könnte natürlich denken, dass es sich eben doch nicht um die echte GEMA-Website handelt. Doch tatsächlich ist es die offizielle Seite. Schaut man sich dann die schlechten Bewertungen plus Begründungen im Detail an, wird schnell klar: Hier artikuliert sich unter anderem die Wut über gesperrte Videos, an denen vermeintlich die Spaßbremse GEMA schuld ist. Zeitlich liegen die Bewertungen um 2009 herum – aus den letzten 2,3 Jahren stammen praktisch keine mehr.
Ähnliches findet man auch für alle möglichen Anwaltskanzleien, die um diesen Zeitpunkt herum auf diesem Feld Mandate hatten. Filesharing-Fälle gehen aber tatsächlich zurück und sind heute kaum noch groß diskutiertes Thema. Aber natürlich gibt es noch Abmahnungen und manchmal sogar sehr absurde.
Abmahn-Trend Bilder
Der Gegenstand der Abmahnungen hat gewechselt: Aktuell geht es zunehmend um Bilder. Beispiel Schlecky Silberstein: Auf diesem dem wunderbaren Blog für alle möglichen Absurditäten und Nerdkram wurde jüngst ein Abmahnfall dokumentiert, der schnell zur Kopf-Tisch-Reaktion führt. Und es gibt weitere ähnliche Fälle und Problematiken. Menschen, die Links auf Facebook teilen und dann für das Bild im Link abgemahnt werden, gab es zuletzt zu genüge.
Wir unterhalten uns mit dem Anwalt jedenfalls über Filesharing, Abmahntrends und das „wenig flexible deutsche Urheberrecht“. Was wir erfahren, ist tatsächlich in einigen Punkten überraschend. Sprach ich schon davon, dass die eigene Sichtweise das Recherchenergebnis beeinflussen kann? Ja, das tat ich.
Und damit sei an dieser Stelle Feierabend. In der nächsten Folge: Sebastian verbringt 25 Stunden in der virtuellen Welt, einen Tag mit den Rocketbeans-TV-Machern und macht Offline-Urlaub.