Das Episoden-Adventure The Walking Dead ist ja schon hinlänglich lobend erwähnt und in Jahresrückblicke gepackt worden. Ich hab’s auf der PS3 und in Form der iOS-Version nur angespielt und war etwas genervt. Nicht weil das Spiel keinen guten Eindruck gemacht hätte, sondern weil es einmal mehr meine Einschätzung bestätigt, dass ein Adventure dieser Art auf den PC gehört. Man kann natürlich auch Adventures für andere Plattformen machen, aber dieses hier steuert sich via Controller oder wischen einfach hakelig. Im Grunde habe ich es auch vor allem aus Neugier angefangen, weil ich die Serie mag. Darum soll es hier eigentlich gehen. Genauer gesagt: TWD ist für mich das Beste seit Lost. Folgt: Plädoyer für Untote!
Von Schreck- & Umschaltreflexen
Ich gestehe: Bei der Auftaktfolge im Free-TV musste ich mehrfach umschalten. Ich neige zu Schreck- und Graus-Umschaltreflexen. Ich bin dagegen mit Videospielen nicht zu erschrecken. Bei Survival Horror a la Silent Hill kriege ich höchstens die Hektik, aber keine Angst. Zwar schaffen es bisweilen Videospiel-Geschichten, mich zu berühren (Max Payne 1) oder glänzend zu unterhalten (Stacking). Thats it.
TWD als lineare, passive zu verfolgende Geschichte macht mich fertig. Und gleichzeitig kann ich nicht aufhören. Nicht nur, weil Macher das Tempo teilweise aberwitzig hochhalten. TWD spielt mit dem Ur-Bedürfnis, in Grenzsituationen alles zusammenhalten zu wollen. Und das klappt natürlich so gut wie nie: Andauernd muss hier jemand gerettet werden, die Retter geraten selbst in Bedrängnis und die zurückgebliebene Kerngruppe wird von Streunern (a.k.a. Zombies) überfallen. Es macht mich wahnsinnig. Die Autoren folgen dem Comic meist relativ nah. Manchmal merkt man die Comic-Herkunft auch, zum Beispiel wenn Michonne in Staffel 2 erstmals auftritt. Die Einzelkämpferin taucht aus dem Nichts auf, im Gegenlicht sieht man nur eine Kapuze und hinter ihr zwei angekettete Zombies.
Nun scheint ja das Zombie-Apokalypse-Thema per se etwas nerdig. In Wahrheit hat es aber inzwischen eine gewisse Glaubwürdigkeit. Klingt seltsam, meint aber, dass man nicht-reale Szenarien in ihrer Glaubwürdigkeit steigern kann. Zombies sind Popkultur und vor allem längst Mainstream, dank medialer Omnipräsenz in Form von Spielen, Büchern, Filmen, Comics und Zeugs wie, Bettwäsche oder Hirn-Seife.
Die Besetzung der Serien ist hervorragend. Ähnlich wie bei Lost sind es Schauspieler, die keinen extrem hohen Bekanntheitsgrad besitzen. Bekannten Gesichter schreibt man meist mehr zu, daher ist es klüger, auf eher weniger präsente Gesichter zu setzen. Die erste Staffel besteht nur aus 6 Folgen und das Tempo ist noch relativ gemächlich. Auch die Handlungsstränge sind länger als später. Mörderisches Tempo entsteht dann in der 2. Staffel, als eine relativ stabile Gruppe an Überlebenden zusammenfindet. Spannend sind die deutlich sichtbaren Wandlungen, die die Hauptfiguren durchmachen. Allen voran der Provinz-Polizist Rick Grimes. Er ist zu Beginn noch völlig unbelastet von den Entwicklungen, weil er die vielen gesellschaftlichen Veränderungen aufgrund seines Schussverletzungs-Komas nicht mitbekam. Er ist der gute, der niemanden im Stich lässt und auf alles und jeden eingeht.
It’s the end of the world as we know it
Die Autoren der Serie illustrieren unaufdringlich aber überzeugend, was es mit Menschen psychologisch macht, wenn Gesetze nicht mehr gelten, keine Obrigkeit entscheidet, kein Besitz mehr sicher ist und Menschen sich nicht mehr sicher fühlen. Es gibt immer wieder Organisationsbemühungen, doch fremde Menschen sind niemals zuerst Verbündete oder einfach andere Überlebende. Man kann niemanden trauen, denn die anderen könnten nur an den eigenen Ressourcen interessiert sein. Es ist nichts anderes als das perfekt inszenierte Ende der bekannten Zivilisation, ein Kammerspiel, das wir hier erleben. Das ist nicht neu, aber TWD schafft es, das ich mich ständig selbst frage: Was würde ich tun, wie würde ich mich verhalten?
Es gibt viele starke Szenen, die das darstellen. Die Überlebenden landen in der zweiten Staffel auf der Farm des älteren Tierarztes Hershel und seiner Familie. Die Gruppe um Rick trifft bei einem Streifzug auf Plünderer, die sie aber ausschalten können. Doch ein junger Mann aus der Plünderer-Gruppe bleibt beim Schusswechsel zurück. Rick und die anderen nehmen ihn mit und retten dem Verletzten das Leben. Trauen können sie ihm aber natürlich nicht. Es stammt schließlich aus eine Gruppe, die plündernd und mordend durchs Land zieht. Er beteuert zwar, er sei da nur zufällig reingeraten, habe sich an den schlimmsten Verbrechen nicht beteiligt und überhaupt nur den Schutz einer Gruppe gesucht. Zunächst will die Gruppe um Rick den jungen Mann mit verbundenen Augen 30 Meilen weiter weg auszusetzen. Dann stellt sich heraus, er kannte eine der Töchter Hershels. Weiß also höchstwahrscheinlich, wo sie wohnt. Damit wird die von ihm ausgehende latente Gefahr ungleich größer. Rick, dem die Monate unter Lebensgefahr nach und nach verändert haben, quält sich mit der Entscheidung, will den jungen Mann dann aber töten. Ein quälendes Hin- und Her beginnt. Dale, ein älteres Gruppenmitglied, versucht verzweifelt, das zu verhindern, Allianzen dafür bei den anderen zu suchen. Doch die anderen Gruppenmitglieder drücken sich. In einem flammenden Plädoyer appelliert Dale an Menschlichkeit. Auch wenn Gesetze nicht mehr gelten, bedeute das nicht, Menschlichkeit aufzugeben.
Serien mit zusätzlichem Plus
Die richtig guten Serien zeichnen sich oft durch etwas aus, dass ich in Ermangelung besseren (Fach-)Wissens einfach mal „das zusätzliche Plus“ nenne. Bei Lost war es das miträtseln, was der Serie dieses zusätzliche Plus gab. Bei TWD ist es, das sich selbst fragen, wie man entscheiden würde. Ich hätte bei der obigen Diskussion übrigens abgewogen, ob der junge Mann nicht ganz einfach mit der Gruppe um Rick die bessere Gemeinschaft gefunden hat. Welchen Grund sollte er also haben, zu den Plündern zurückzukehren? Nehmt ihn doch einfach auf. Wenn es in dieser Gesellschaft vor allem um Sicherheit geht, könnte er auch auf der Farm bleiben. Oder ist die Anerkennung der wüsten Plünderer das Wichtigere für ihn? Schwierig und noch mehr kann ich an dieser Stelle nicht erzählen, ohne unnötig zu spoilern.
Es gibt übrigens einen „Persönlichkeitstest„, bei dem man am Ende gesagt bekommt, welchem Typ man entspricht. Bei mir wars Rick 😉
Zu Lachen gibt es wenig in der Serie. Und wenn, bleibt es einem relativ schnell im Hals stecken. Die wichtigen und vor allem, die liebgewonnensten, Figuren sterben wie die Fliegen. Ein Tod ist dramatischer, als der andere. Berührende Momente gibt es ein paar mehr. Sie sind meist nur sehr kurz, blitzen höchstens mal auf. An ihnen hält man sich regelrecht fest, weil man weiß: Gleich passiert wieder etwas. Etwas ganz furchtbares.
Böse und böser
In der dritten Staffel (läuft derzeit in den USA, hierzulande bei Sky) ist aus dem guten Rick zwar kein böser geworden. Aber ein harter Hund, der kaum noch Gefühle zeigt, bzw. zeigen kann. Zu Beginn sind die beiden Rednecks, die Brüder Daryl und Merle die Buhmänner. Merle wird früh aus der Gruppe gerissen, Daryl bleibt und erfährt ebenfalls eine glaubwürdige Veränderung. Im Verlauf der Serie kommen noch Figuren dazu, die an Bösartigkeit kaum zu übertreffen sind. Oder an Schräg- oder Schrulligkeit. Das ist aber erstaunlich wenig platt. Selbst die verwerflichsten oder seltsamsten Taten sind irgendwie erklärbar. Denn durch das Erlebte werden nicht nur die netten Menschen… anders.
Derzeit pausiert die 3. Staffel in den USA, Mitte Februar geht’s weiter. Eine 4. Staffel ist wohl noch nicht offiziell bestätigt, aber ziemlich wahrscheinlich.
Ich sah die erste Staffel in deutsch, die zweite in englisch. Ich empfehle die Originalversion, die deutschen Stimmen sind zwar nicht schlecht, aber für meinen Geschmack immer einen Tick drüber. ZU aufgeregt, ZU emotional.
Der ein oder andere Bekannte fand, man habe es in Staffel zwei etwas lange gezogen, mit der Action und den Schauplätzen. Wobei lang gezogen irgendwie nicht recht passt, auf eine Serie mit diesem Tempo. Es spielte sich aber tatsächlich eine Weile lang mal alles an einem Ort ab, der fast so etwas wie ein Heim zu werden schien. Aber soviel Entspannung gönnt man uns dann doch nicht. Ich muss ganz subjektiv zusammenfassen: Hammer. Guck-Befehl!