6:30 Uhr, mit der Lautstärke einer Mittelstreckenrakete sorgt der Wakeup-Call fast für einen Herzstillstand. Morgengrauen in London… Noch mit einem Bein in der REM-Phase stolpere ich zum Frühstück und um kurz nach 7 wieder ins Zimmer. Ich will ja pünktlich sein. Nintendo hat diverse Presse (wie nannte Herr Schreyl das noch gleich, Schreiberlinge?) zum Wii Music Kurztest plus Interview nach London geladen. Und mich diskret aber unmissverständlich aufgefordert, mich gefälligst gut vorzubereiten. In einer seitenlangen Mail bekomme ich vorab einen Link zu einem Interview mit Miyamoto und die Ansage, eine DVD mit eine Demonstration des Spiels anzusehen. Und das ich vor allem das Spiel VORHER ausgiebig testen müsse. Der Interview-Termin ist um 9:15 – um 7:45 darf ich anspielen, teilt mir die deutsche PR mit. Das nenne ich mal musikalische Früherziehung!
Ich schaffe es tatsächlich, um 7:50 in der Hotellobby des Treffpunktes zu stehen. Dafür habe ich mir angesichts der frühen Stunde ein Taxi genommen. Dafür habe ich einen Betrag zu entrichten, der entweder die englische Immobilienkrise abfedern soll oder einfach nur eine höflich Form des schweren Raubes darstellt.
Da stehe ich nun in der Lobby und frage mich: Was nun? Ein Telefonanruf bei meiner Ansprechpartnerin ergibt: Mein Slot zum Probespielen sei doch erst um 8:30 Uhr… Zeit für einen kleinen Wutanfall, theoretisch. Ich bin aber zu müde und fehlt mir die nötige Dosis Teein. Ich ziehe mich in den Frühstücksraum zurück, um ein Tässchen grünen Tee zu mir zu nehmen. Vermutlich muss ich mir in diesem Hotel für ein Tässchen Heißwasser mit losen Kräutern drin meine Lebensversicherung auszahlen. Ist mir aber inzwischen auch egal. Während ich das Gebräu schlürfe, kann ich wenigstens noch meine „Hausaufgaben“ erledigen und schaue schnell die DVD fertig.
Und fange schon mal diesen Blog-Artikel an…
Um 8:45 Uhr kann es losgehen, ich bekomme meine musikalische (Früh-) Erziehung. Ich war auch eines dieser Kinder die eigentlich gerne Klavier spielen lernen wollten und sich dann aus Budgetgründen mit einer Blockflöte wieder fanden. Leider kann ich einen Bassschlüssel nicht von meinem Haustürschlüssel unterscheiden, weshalb meine musikalische Karriere recht früh endete.
Die eigentliche Leistung von Wii Music ist meiner Meinung nach die, dass es keinen (nicht mal mich) völlig blöd aussehen lässt. Wildes herumfuchteln mit Wiimote und/oder Nunchuck erzeugt im Zweifelsfall zwar keine perfekte Darbietung, aber immerhin eine, na ja, freie Interpretation eines Songs. Und, logo, Beethovens Ode to Joy findet sich in der Songliste. Die ist mehr als bunt und reicht von Hänschen Klein über Polices „Every breath you take“ bis zu „Carmen“ oder besagtem Beethoven-Stück. Man kann die Songs in verschiedenen Stilen interpretieren, elektronisch, jazzig, poppig. Es gibt Märsche, Opern, Traditionelles, Charthits und Reggae-Rythmen.
2006 hat Shigeru Miyamoto noch eine Art Dirigenten-Spiel auf der E3 vorgestellt. Von dem er selbst nicht recht wusste, wohin es gehen sollte, wie er später im Gespräch erzählen wird. Inzwischen kann man nicht nur dirigieren, sondern auch frei jammen, Mini-Musikspiele (in denen man tatsächlich etwas über Musik lernt) spielen, zu zweit, zu dritt, zu viert fiedeln, trommeln oder trompeten.
Solchermaßen vorbereitet kanns dann losgehen, Miyamoto-San sitzt entspannt vor unserer Kamera. Traditionell wird das Interview mit Übersetzer geführt, was die Sache zeitmäßig extrem in die Länge zieht. Vor allem, da mir mein entzückender Kollege Andreas noch ein paar Extra-Fragen auf den Zettel geschrieben hat. Wer die Antworten nachlesen mag (solide Englisch-Kenntnisse vorausgesetzt) kann sie auf seinem Blog nachlesen. Der Kollege ist nämlich sprachlich international aufgestellt.
Freundlicherweise spricht uns Herr Miyamoto noch einen netten Spruch in die Kamera („Hello my name is… and your watching…!“) und unsere Zeit ist um.
Fehlen nur noch ein paar nette Einstiegsbilder. Vor der Tür drehen wir noch mit drei Plastik-Figürchen (Mario, Wario und Pilzkopf). Die Idee: Die drei sollen trickfilmartig auf die Kamera zukommen, so dass ich darauf texten kann: Wer IHN nicht kennt, die kennt sicher DIE DA! Irre kreativ, ich weiß. Kommt aber optisch immer gut, so eine Nummer. Wie ein Stoptrick funktioniert, weiß vermutlich fast jeder. Mit drei Figuren ist es aber etwas komplizierter. Man nimmt ja quasi Bild für Bild auf, schneidet die Hände die die Figuren bewegen raus, und lässt den ganzen Kram schneller ablaufen. Ferdisch! Man sollte aber grob abschätzen, wie viele Einzelbilder man benötigt, um das ganze für etwa 10 Sekunden schneller ablaufen zu lassen. Die schwierigen Fragen überlasse ich dem Kameramann – ich bin die, die die duften Ideen hat und die Ausführungen anderen überlässt, ebenso wie eventuell auftretende Widrigkeiten. Es zeigt sich nämlich, dass wir nicht direkt mit Lichtgeschwindigkeit arbeiten. Im Klartext: das Sonnenlicht wandert natürlich während des Drehs weiter. Kameramann Peter bekümmert das beträchtlich. Es kann so nämlich passieren, dass man im fertigen Film irritierende Lichtsprünge sieht. Was doof ist, denn Bewegung der auf die Kamera zukommenden Figuren soll ja aussehen wie aus einem Guss.
Inzwischen ist es spät geworden und ich muss ganz flott zum Hotel zum Checkout, bevor die mir einen weiteren Tag berechnen. Diesmal aber per Underground: Ich lasse mich nicht noch mal von einem Taxifahrer ausrauben.
Das fertige Stück wird am 9.November bei neues laufen und das ganze Miyamoto-Interview wird’s es ebenda als Podcast geben.
Watch out!