GTA Online: Girl's Night
GTA Online: Girl’s Night

Ich bin in den letzten Wochen mehrfach voll Blei gepumpt, niedergeschossen, über den Haufen gefahren und kaltgemacht worden. Ziemlich oft. Von anderen Spielern, die dafür mal eben rechts ranfuhren oder gerade auf der Durchreise waren. Warum? Keine Ahnung. Aber so ist sie nun mal, die Onlinewelt von Los Santos. Oder, genauer gesagt, die meisten Spieler von GTA Online sind offenbar so.

Shoppen statt schießen

Kurz zum Wesentlichen: Man sollte keinesfalls ohne seinen persönlichen Wohlfühl-Look zum Überfall anrücken. Davon abgesehen macht es Spaß. Und manchem ist die auffälligste Klamotte einiges wert. 45.000 Kröten hat einer meiner Mitspieler zuletzt in Klamotten versenkt. Männer.

 

West Coast Classics statt Klassik

Wie jeder weiß, der hier schon länger mitliest, spiele ich WoW seit… immer. Wenn auch zuletzt weniger. Dieses MMO-Ding ist heute längst Mainstream und spitze Ohren oder zwei dicke Köpfe braucht es dafür auch nicht mehr zwingend. Spätestens seit Destiny ist das Universum nicht mehr nur ein fiktives, sondern tatsächlich eines aus astronomischer Sicht. EVE Online sei der Vollständigkeit halber erwähnt und das gibt es auch schon länger. Das organisierte Verbrechen ist nun auch dabei. Der Story-Modus von GTA war und ist nicht so meins, aber die neue Online-Welt ist etwas anderes. Gemeinsam macht ja fast alles mehr Spaß. Nun habe ich schon mein WoW-Tagebuch mit der Unterzeile „Tagebuch eines begeisterten, aber durchschnittlichen Spielers“ geführt. Und ich kann, nein ich muss, sagen, das ist auch im getunten Schlitten und West Coast Classics aus dem Autoradio nicht besser. Randnotiz: Wenn auch völlig unterschiedliche Genres, so ist doch die Musik in GTA (egal ob On- oder Offline) ähnlich gut. Ich ertappe mich dabei, gelegentlich einfach nur deswegen herum zu cruisen, um Musik zu hören.

Grand Theft Auto V: Ich habe Auto
Grand Theft Auto V: Ich habe Auto

 

„Are you both actually chicks?“

Ich habe soviele Stunden WoW gespielt, dass ich automatisch die Spielbarkeit und Usability bei allen anderen MMOs vergleiche. Destiny macht in diesen Punkte vieles richtig, bei GTA, naja, geht es so. Aber davon abgesehen macht das Ganze Spaß. Jedenfalls, wenn man mit Freunden spielt. Da sich ein Text-Chat an der Konsole nicht direkt anbietet, ist man im Grunde gezwungen, mündlich zu kommunizieren. Was ich persönlich eher abschreckend finde. Schon alleine, wenn ich mir überlege, dass das die gleichen Menschen sind, die mich mit großer Begeisterung über den Haufen fahren oder schießen.
Der erste Spieler im Voice Chat ist ein Amerikaner und er ist gut gelaunt. Ich habe mich mit einem Freund zusammengetan (nennen wir ihn: Glen Stonecrow) und zusammen spielen wir meine erste Mission in Los Santos. Sowohl ich als auch der Freund, spielen weibliche Avatare. „Are you both actually chicks“, will das Kerlchen als erstes wissen. Ich merke, dass ich mich vielleicht doch nicht unterhalten möchte. Der Amerikaner ist unbeeindruckt und scheint auch gar keine Antwort zu erwarten. Er redet einfach weiter. Kurze Zeit später ist seine gute Laune erledigt. Da ich den Missionstext nicht genau gelesen habe und Glen Stonecrow nicht im Chat ist, mache ich irgendwas. Nur nicht das Richtige. „You’re supposed to help me“, mosert der Amerikaner, während wir unter schwerem Beschuss durch die Straßen von Los Santos schlingern. Glen Stonecrow und ich sind dann recht schnell wieder unter uns.

Harte Gangster, softe Drinks
Harte Gangster, softe Drinks

 

Allein, allein

Alleine ist in Los Santos nicht viel zu reißen. Das ist ein bisschen schade. Blizzard hat gezeigt, wie man ein MMO für alle Spieler-Typen spielbar macht. Nicht stolperfrei, aber von Anfang auch für Volldeppen Anfänger spielbar. Auch wenn manche den Vergleich vielleicht unsinnig finden, aber letztlich ist ein Onlinespiel ein Onlinespiel. Destiny ist letztes Jahr angetreten, um das WoW auf der Konsole zu werden. Es bietet zwar keine besonders originellen Missionen und auch in Punkto Detailreichtum der Onlinewelt kann es WoW nicht das Wasser reichen, aber das MMO-Feeling auf der Konsole klappte zumindest in Ansätzen.
Immer gut für ein Onlinespiel: Die Menüführung ist intuitiv sein, das Match Making funktioniert und idealerweise habe Spieler aller Couleur ausreichend und originelle Beschäftigung. Letzteres heißt: Ich kann auch alleine genug machen, was Spaß macht und levelt. Das kriegt GTA Online nicht so wahnsinnig gut hin. Abgesehen davon, dass das Auffinden von Missionen via Karte sehr mühselig ist, habe ich bislang nur Fallschirmspringen als Aufgabe entdeckt, die ich alleine absolvieren kann. Und das fliegen durch blöde Ringe hat schon in Amped genevt. Vielleicht ist es die mangelnde sinnvolle Beschäftigung, die dazu führt, dass sich die meisten Spieler offenbar gerne damit beschäftigen, andere Spieler voll Blei zu pumpen, nieder zu schießen, über den Haufen zu fahren oder kalt zu machen. Siehe erster Absatz. Ich könnte natürlich zurückschießen und/oder nach dem spawnen Jagd auf den blöden Sack Übeltäter machen. Aber ehrlich gesagt: Ich habe keine Lust dazu. Und der Passiv-Modus funktioniert nur als Fußgänger.
Die Heists sind eigentlich eine gute Sache, aber ich muss im Grunde jemanden dabei haben, der die Missionen einigermaßen gut kennt. Und ohne Kommunikation mit anderen läuft es einfach nicht rund. Es gibt geschicktere Führung in Spielen. Mit Führung meine ich, Spieler so geschmeidig wie möglich mit allen Möglichkeiten vertraut zu machen. Natürlich macht es Sinn (und Spaß), im Team zu kommunizieren, um die Aufgaben erfolgreich zu absolvieren. Aber warum nicht die Missionen erst mal so gestaltet, dass es auch ohne geht und erst später nur mit Absprache? Der Reiz von World of Warcraft bestand darin, klein anzufangen, damit Spaß zu haben und dann langsam in die größeren Raids reinzuwachsen. Inzwischen habe ich eine kleiner Gruppe von Freunden, mit denen ich gerne spiele und, weil ich sie kenne, mit denen ich auch gerne rede. Sie alle eint aber, dass sie den Voice Chat ungern benutzen. Obwohl man ihn im Grunde auch auf Menschen von der Freundesliste begrenzen kann. Aber das Einstellungsgefrickel macht alle wahnsinnig. Als macht inzwischen immer einer von uns eine Konferenzschalte via iPhone auf. Sei umarmt, Flatrate in alle Netze.


Vollkasko für Gangster

GTA heißt: Du brauchst Karre. Klaut man sie, riskiert man durchaus strafrechtliche Konsequenzen. Ich habe ein besonderes Talent darin, den Ordnungshütern unangenehm aufzufallen. Daher klaue ich eher selten Autos. einer meiner Lieblingsmitspieler und Spiel-Auskenner hat mich dann aber im Auto-Klau beraten. Wir suchen das passende Modell und dann lotst er mich direkt in die Werkstatt zum umlackieren, versichern und Peilsender dranpappen. Wie überaus praktisch. Skurril eigentlich, dass GTA in Medien & Öffentlichkeit immer mal wieder wegen seines Gewaltgehalts kritisiert wird. Dabei muss man sich erstaunlich oft mit Auto-Versicherungen, Onlineüberweisungen und dem Entrichten von Geldbußen beschäftigen.
Mein Gefährt ist jedenfalls gut versichert und mit „meinem“ eigenen Auto fahre ich immer äußerst vorsichtig: Ich kann Kratzer und Macken in meinen Sachen nicht ausstehen.
Wenn ich alleine spiele, fahre ich manchmal einfach nur herum und höre Musik. Oder gehe zum Friseur. Oder shoppen. Voll Gangster halt. Aber man kann einfach nicht 5 Stunden lang konzentriert aus Autos oder Tanklastern ballern, hinter Kisten kauern oder anderen Spielern hinterher rennen. Entdecken und rumlaufen macht mindestens genau so viel Spaß. Und wenn ich jemals genug Geld zusammen habe, kaufe ich mir ein nettes Apartment. Apropos Geld: Es ist faszinierend umständlich, sein geraubtes Geld beisammen zu halten. Man könne es zu leicht an miese Menschen (also Spieler) verlieren, erklärt man mir. Also muss ich das virtuelle Handy zücken, ins „Internet“ gehen und im Browser die Online-Bank anwählen, um dann meine Kröten einzuzahlen. Ich bin sehr froh, dass ich hier nicht auch noch eine Steuererklärung abgeben muss.

GTA V Online ohne Kills: Geht auch
GTA V Online ohne Kills: Geht auch

Pazifist mit Spezial-Karabiner

Die meisten meiner Mitspieler sind in relativ hohen Level-Gefilden. Ich bin seit gestern knapp an der Level-15-Marke und das wirkt gegen dreistellige Level-Zahlen schon recht armselig. Trotzdem ist mein Mitspieler schockiert, als er einen Blick auf meine Kill-Statistik wirft: „Wie bist du nur so weit gekommen, ohne irgend jemanden zu erschießen?“. Das war mir selbst bis dahin nicht mal aufgefallen. Tatsächlich zählen ja die Kills aus Missionen nicht, wo ich natürlich unzählige NPCs durchsiebe (manchmal treffe ich). Für die Kill-Statistik muss man aber menschliche Mitspieler umnieten. Aber ich weiß nicht genau, warum. Es macht mir keinen Spaß. Und so bin ich wohl einer der friedlichsten Gangster, die man in Los Santos finden kann.

Vollkasko für Gangster: GTA Online
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