Brüste. Handgemalt.
Brüste. Handgemalt. Mit Stift und Papier.

Genau genommen müsste der Titel dieser Session auf dem Game Camp in München noch länger sein, nämlich: Videospiel-Journalismus – schlechte Sitten und wie man sein Indiespiel bekannt macht.
Frisch zurück von der sogenannten „Un-Konferenz“ Game Camp hier ein erster Bericht und das speziell zum eingangs erwähnten Panel. Redner waren Hendrik Luehrsen vom Krautgaming-Blog und „Onlinegott“ Christian von Gameone.de

In Zeiten von Search Engine Optimizern und Keyword-Schlampen gibt es durchaus Mittel und Wege, das „System“ zu unterlaufen. Das ist vor allem wichtig für kleinere Studios und Indiegame-Entwickler, die genauso gerne in Spieleblogs oder großen Websites präsent sein wollen wie EA mit Crysis 2. Und es selbstredend unendlich viel schwerer haben.
In einer Mischung aus Resignation und Optimismus sprachen Hendrik und Christian über die Situation und erklärten den Zuhörern zum einen, wie die Regeln für erfolgreiches Platzieren von Newsmeldungen aussehen. Sie sparten nicht an Beispielen, die nicht jede bekannte Website allzu gut aussehen ließen.

Auf großen Portalen wird gerne mit der „Enthüllung einer Enthüllung“ gearbeitet. Das ist zum Beispiel eine Headline wie „Test FIFA 12“. Perfekt für Google, verweist aber oft nur auf eine kurze News, die besagt, das nächste Woche der Test zu diesem Spiel online sei.

Auch gerne genommen: Galerien. Die sind gut besucht, daher setzen viele Websites auf längere Galerien. Grund auch: damit kann man auch im Ausland punkten, weil beispielsweise amerikanische Websites wesentlich prüder sind, was die Auswahl von Bildern betrifft. Womit wir bei den Brüsten wären. Dieses sekundäre Geschlechtsmerkmal wird gerne eingesetzt, um zusätzlichen Traffic zu erzeugen. Messe-Babes-Galerien sind daher auch sehr beliebtes Mittel für Klicks. Das „Best of der E3-Messebabes“ garantiert ein Klickfeuerwerk. Ich habe diese Regel natürlich befolgt. Siehe Bild oben. Oben ohne.

Es geht theoretisch auch anders. Absurderweise wird Qualität durch Nutzer tatsächlich belohnt – aber eben leider nicht durch Google.

Affiliate Links und sogenannte Advertorials sind ebenfalls nicht immer zur Begeisterung von Lesern auf Websites. Letzteres sind redaktionell betreut Werbe-Artikel, so das für Leser nicht so leicht erkennbar ist, das es sich hier nicht um einen „normalen“ Artikel handelt, sondern eben um Werbung.

Was sowohl Christian als auch Hendrik erwähnten und bedauern: Es wird mehr Geld in SEO, sprich Google, gesteckt, als in gut ausgebildete neue Mitarbeiter. Viele Seiten schauen natürlich, was suchen Nutzer auf unseren Webseiten. Beispiel Minecraft: wird das viel gesucht, wird etwas dazu gemacht. Das ist zunächst mal völlig in Ordnung, oft aber wird in der Folge künstlich Strecke gemacht und kaum auf Info- und Qualitätsgehalt geachtet.

Besonders grotesk: Oft würden Titel extra falsch geschrieben, weil man wisse, das auch viele Nutzer es falsch schreiben. Das kann man schnell wieder korrigieren, aber sobald Google einmal aktiv war, funktioniert es weiterhin.
Beispiel von Hendrik: iPhone 4GS. Das hatte ein Autor tatsächlich nur versehentlich falsch geschrieben, das Gerät hat es ja nie gegeben. Aber die Zugriffe auf den Artikel explodierten trotzdem und nachhaltig.
Was hier nicht gezielt passierte, wird andernorts bewusst eingesetzt, um Keywords die häufig durch Google gejagt werden, abzugreifen.

Für Indiegames-Entwickler ist es entscheidend, den Namen ihres Spiels an die Entscheider für Websiten-Inhalte durchzubringen.
Tipp von Chris und Hendrik: Da könne man selbst ein bisschen nachhelfen, indem man sich in Foren anmelde, dort über das Spiel rede, die Startseiten-Suche von Websites mit dem Titel füttere, etc. Wenn die Aufmerksamkeit von einem Redakteur erst mal geweckt ist, ist schon viel erreicht.

Oft läuft es bei Websites, die sehr viele News raushauen, so: 9 Uhr eine Meldung das um 17 Uhr etwas enthüllt wird zum Thema… Battlefield (ersatzweise beliebig den Namen eines AAA-Titels einsetzen). Um 17 Uhr kommt der Verweis auf den brandneuen Trailer um 21 Uhr. Wirkliche, fundierte und ausführliche Info gibt es nur in wenigen Fällen. Das erfreut Leser nur bedingt, aber wie erwähnt Google. Und solange dieses System funktioniert, wird es auch weiterhin gemacht. Dieses wenig glücklich stimmende Fazit lässt sich hier schon mal ziehen.

Natürlich können Indiegames -Entwickler originelle, auffallende Pressemitteilungen schreiben – ich persönlich empfehle: ja, tut das! Es fällt unter all den unzähligen Presse-Rundmailings nämlich auf. Der Tipp von Chris und Hendrik: Entwickler sollten verstärkt darüber nachdenken, ein Blog rund um die Entwicklung zu schreiben. Davor scheuen viele zurück, weil man nicht unbedingt zu viel und rund um die Uhr preisgeben will und kann. Und es ist Arbeit. Doch es sollte als wichtiger Teil des Marketing- und auch Entwicklungsprozess begriffen werden. Entwickler-Blogs werden gerne gelesen und bringen möglicherweise mehr, als eine Pressemeldung.

Ein weiterer Tipp von Chris und Hendrik für Indiegames-Entwickler: Erzeugt einen Hype. Das gelang zum Beispiel dem sonst eher belächelten Landwirtschaftssimulator. Die Verkaufszahlen sind sehr gut und das nicht unbedingt, weil das Spiel technisch, grafisch und Design-technisch ganz, ganz vorne dabei wäre.

Banale Weisheit: Brüste und Blut geht immer bestens. Oder Landwirtschaftssimlatoren. Das sogar ganz ohne Bauer sucht Frau.

Blut & Brüste. Schlechte Sitten im Videospiel-Journalismus
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4 Kommentare zu „Blut & Brüste. Schlechte Sitten im Videospiel-Journalismus

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