Man kann die Pen & Paper-Rollenspieler im Grunde so ein bisschen als Speerspitze der Nerds bezeichnen – im wahrsten Sinne des Wortes. Jedenfalls kommen hübsch verzierte Stichwaffen häufig vor 😉 Ich habe die Pen & Paper-Rollenspieler meiner Mittelstufen-Gymnastistenzeit mit ihren Würfeln und Tabellen zwar nicht so recht verstanden, aber das hatte weniger mit dem Thema Fantasy selbst zu tun. Mir waren Bücher und Filme einfach lieber. Was Rollenspiele wie Dungeons & Dragons oder Buch-Reihen wie die Drachenlanze-Romane für einen kulturellen Einfluss hatten, wurde mir erst Jahrzehnt später klar. Als 2004 – vor fast genau 10 Jahren – World of Warcraft die PCs infizierte. Und ich 2007 eine halbstündige Dokumentation über die Faszination an Online-Rollenspielen gemacht habe. Vor ein paar Wochen erschien mit Drachenväter jetzt eine Kulturgeschichte des Rollenspiels. Auf Papier, wie es sich gehört. Autoren sind die Nerds Herren Konrad Lischka und Tom Hillenbrand.
Man geht aber mit der Zeit und kriegt das Ganze auch als Ebook. Aber bitte: Das muss auf Papier. Jedenfalls für mich. Aufs iPad packe ich lieber reine Gebrauchslitertur: Lese-Fast Food für unterwegs oder Anleitungen für den Selbstbau einer Mars-Station, solches Zeug etwa.
Rollenspieler sind seit jeher als seltsame Nerrds belächelt worden. Und so waren wir nicht allzu überrascht, als sich kein Verlag fand, der Drachenväter publizieren wollte.
So schreiben es die Autoren in ihrer Danksagung. Die Werde-Geschichte dürfte der informierten Zielgruppe sicher bekannt sein: Letztlich realisierten Tom & Konrad das Buch über Crowdfunding, gedruckt wurde On Demand im Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat. Über ihre Erfahrungen haben die Autoren übrigens bei Spiegel Online geschrieben.
Drachenväter ist eine gut strukturierte, reichlich bebilderte Kulturgeschichte, die außerdem noch eine Menge Lesetipps mitbringt. Die Autoren haben mit vielen Veteranen aus der Spieleszene gesprochen, zum Beispiel Werner Fuchs, Erfinder des erfolgreichsten deutschen Rollenspiels “Das Schwarze Auge“, Steve Jackson, Erfinder des ersten interaktiven Buchs (“Der Hexenmeister vom flammenden Berg“) oder Ian Livingstone (“Warhammer”, ”Tomb Raider”). Das Buch schafft es, das Lebensgefühl der Rollenspieler und Rollenspiel-Macher einzufangen. Für jedes Thema sind kleine und kleinste Geschichten ausgegraben: Über die genannten Veteranen, aber auch damalige Aufreger in der Fan-Szene, wie die Kommerzialisierung von D & D oder über die Communities, die um Fanzines und Clubs entstanden, von denen man möglicherweise noch nie gehört hat.
Gelegentlich ist das Buch fast schon zu akribisch in der Aufzählung von Namen und Themen, so empfand ich zumindest gelegentlich. Das und mindestens eine Doppelung im Text, mag auch daran liegen, dass On Demand-Verlage eher keine gut besetzten Lektoren-Abteilung haben. Und Drachenmütter fehlen. Also Frauen. Die überwiegende Mehrheit scheint tatsächlich männlich gewesen zu sein, bezogen auf Dave Arneson und Gary Gygax (D&D-Erfinder) ist das völlig korrekt. Aber im Buch werden durchaus auch einige Frauen aufgezählt, die maßgeblich zur Geschichte des Rollenspiels oder dem Erfolg der Fantasy beitrugen. Das war es aber schon an Meckerei. Für Fantasy-Interessierte – das Ganze ist ja längst Mainstream – ist es eine hervorragende Hintergrund-Lektüre. Und Sich-Auskenner schwelgen einfach in Erinnerungen und erfreuen sich an den Bildern.
Zu haben für 42 Euro als Buch und für 15 Euro auf den eReader.