Spore Kreatur bei Maxis

Während ich auf der GDC in San Francisco war, habe ich einen kurzen Abstecher zu Maxis gemacht. Grund: Die Doku „Games 2.0“, in der Will Wrights Spiel „Spore“ eine wichtige Rolle spielen wird.
Bei Maxis ist alles voller Sporen. Kein Grund, gleich das Desinfektionsmittel auszupacken, hier wird an Spore gearbeitet, Will Wrights neuem Spiel. Nachdem ich jetzt gleich zu Beginn einen prima flachen Witz abgefeuert habe, schnell zum Wesentlichen, dem Interview:

V: Ich habe gelesen, Du warst gerade bei der NASA eingeladen, um Spore vorzustellen, richtig?
WW: Es gab einen Workshop bei der NASA, vor einigen Wochen. Es war ein Workshop zu virtuellen Welten. Für die NASA ist daran interessant, wie man Spiele nutzen kann, um über Weltraum-Projekte zu informieren. So was sieht man inzwischen bei vielen Industrien. Die Leute realisieren, dass Spiele eine mächtige Kraft haben, um Leute zu berühren.

V: Waren sie neugierig auf Dein Spiel Spore?
WW: Ich demonstrierte ihnen Spore als Beispiel dafür, wie man Leute mit Astronomie und Kosmologie vertraut macht, in einer Art Spielzeug-Galaxie. Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten für Simulationen von Mondmissionen, über eine mögliche Mars-Kolonialisierung und so weiter.

V: Online Communities, Social Networking, das sind derzeit Trend-Themen. Und sie spielen eine wichtige Rolle auch für Spore, soweit ich weiß. Ist das etwas, worauf Du nur gewartet hast? Wie wichtig sind diese Möglichkeiten für Dich als Game Designer?
WW: Sobald das Internet verfügbar war, selbst mit früheren Möglichkeiten (Community Bulletin Boards) sahen wir, dass Leute SimCity-Dateien nahmen und sie teilen wollten. Wenn Leute in solchen Spielen etwas kreieren, dann wollen sie das natürlicherweise vorzeigen und sie sind stolz auf ihre Kreationen. Als das Internet dann da war und wir die Sims raus brachten, sahen wir eine große Community entstehen, mit Websites, wo Spieler eigene Inhalte zeigten, Dinge die sie entworfen hatten: Geschichten, Charaktere, Möbel, alles Mögliche. Als wir dann mit Spore begannen, wollten wir so etwas direkt ins Spiel integrieren. Es sollte die Möglichkeit geben, Erschaffenes direkt zu veröffentlichen und zu teilen, Freundeslisten anzulegen, etc. Wir nahmen eigentlich die Dinge, die die Leute im Internet tun, Podcasts nutzen, Freundeslisten anlegen, solche Dinge eben und brachten sie ins Spiel. So das Spieler Communities innerhalb des Spiels pflegen können, statt außerhalb davon auf Webseiten zu gehen.

V: Die Idee von User Generated Content ist ebenfalls relativ neu. Das ist ein weiteres wichtiges Thema für Spore…
WW: Ja, Spore basiert auf der Idee, das das ganze Universum durch die Spieler entsteht. Millionen Spieler erstellen eigentlich diese unendliche Welt, die andere Spieler erkunden. Das Spiel ermittelt, welche Art von Inhalten jeder einzelnen Spieler bekommt, abhängig davon was sie mögen (abonnierte Themenpakete, Freundeslisten), der Spieler hat permanent die Kontrolle, profitiert aber auch davon, was Millionen andere da draußen an Inhalten für das Spiel liefern.

V
: Bist Du neugierig darauf zu sehen, was die Spieler mit all den Möglichkeiten anfangen werden?
WW: Auf jeden Fall! Wir haben mehrere Hundert Spieler bei EA, die das Spiel derzeit testen und die ziemlich skurile Dinge erschaffen. Das überrascht uns jeden Tag! Da macht jemand etwas Verrücktes, von dem wir nicht mal dachten, das es im Spiel möglich ist. Und dann sagt jemand, wow, das ist cool, ich will so etwas auch haben. Und das mit ein paar Hundert Spielern! Wenn erst mal ein paar Millionen spielen, weiss ich, ich werde total überrascht sein, von dem was das kreiert werden wird.

V: Du bist schon sehr lange in der Spieleindustrie. Wenn Du zurückblickst, was sind in Deinen Augen die wichtigsten Veränderungen: Grafik, Inhalte, Storytelling…?
WW: Für mich ist eine der entscheidendsten Veränderungen die hin zu offenen Welten, die der Spieler erkunden kann. Spiele waren gewöhnlich mehr wie auf Schienen, wo ein Entwickler sagt, erst muss du dies machen, dann musst du den roten Schlüssel finden, öffnest die Tür und kümmerst dich um den bösen Drachen. Heute sind Spiele mehr Welten, die der Spieler erforschen kann, statt ihn wie auf Schienen durchs Spiel zu führen.
Natürlich gab es immer dieses Wettrüsten im Bereich der Grafik. Das ist eine Mission, wo ein Punkt erreicht ist. Wir können inzwischen tolle Grafik auf den Bildschirm zaubern, daher konzentriert man sich mehr auf künstliche Intelligenz und Verhalten und geben dem Spieler mehr Freiheit im Spiel. Das ist die sehr viel interessantere Richtung. Interessant für mich ist das Durchstöbern sehr alter Spiele, aus den Achtzigern, die mich richtig hineinzogen, wo ich etwas für diese kleinen Charaktere fühlte, auch wenn sie auf dem Bildschirm nur 10 Pixel groß waren, die Grafik schauderhaft. Aber trotzdem fühlte ich mich in diese Spiele hineingezogen. Es war also nicht der Fakt, das die Grafik besser wurde, die dazu führte, mich einem Spiel zuzuwenden. Es ist der Fakt, das ich als Spieler mehr kreative Freiheit habe, einen Einfluss auf diese Welten zu nehmen kann, die Spiele interessanter machen.

V: Es muss eine spannende Zeit für Dich sein, denn Deine Spiele waren ja noch nie so linear.
WW: Es ist interessant und inspirierend, was andere Designer machen, in diesem Zusammenhang. Wir haben so viel Rechen-Power zur Verfügung, es gibt keine große Einschränkung durch Technologie mehr. Wir sind mehr eingeschränkt durch Vorstellungskraft, als durch die Computer.

V: Im Moment sind die so genannten Serious Games großes Thema. Deine Spiele hatten immer auch etwas von Serious Games, auch wenn es natürlich um Unterhaltung ging…
WW: Ich finde dieser Bereich ist unterrepräsentiert in der Spieleindustrie. Wenn Du in einen typischen Buchladen gehst, dann hat man da diese verschiedenen Sektionen: Ein paar Bücher zu Sport, Militär-Geschichte, Fantasy, aber das meiste spielt mit gegenwärtiger Realität, selbst der Bereich Fiktion. In der Spieleindustrie ist das nicht so, da steckt das meiste in ein paar Nischen: Sport, Militär, Fantasy-Rollenspiel. Sobald wir mehr Titel haben, die sich mehr mit Gegenwarts-Realität beschäftigen, mit Themen die die Leute beschäftigen, wird es auch eine größere Akzeptanz geben, für das Medium.

V: Welche Spiele würdest Du denn in Zukunft gerne sehen? Du sagst, im Moment ist es thematisch nicht gerade breit gefächert…
WW: Man sieht bereits Spiele, die etwas ganz anderes sind. Die Wii ist ein gutes Beispiel, wo völlig andere Zielgruppen erreicht werden und wo es ganz andere Eingabegeräte gibt. Gibt man jemand, der von üblichen Controllern mit 16 Knöpfen total eingeschüchtert ist, einen Wii-Controller in die Hand und sagt ihm, schwing das Ding wie einen Tennisschläger, dann verstehen sie plötzlich Spiele und genießen es! Sie müssen nicht durch einen komplizierten Prozess gehen oder verstehen, welcher Knopf für was gut ist. Das ist ein leichter Zugang, im Bereich der Steuerung. Etwas anderes ist der thematische Zugang. Moderne, erfolgreiche TV-Serien zum Beispiel tendieren dazu, Dinge zu thematisieren, die Leute auch aus ihrem täglichen Leben kennen. So haben sie ein sehr viel breiteres Publikum, das angezogen wird und das dann auch etwas für das eigene Leben mitnehmen kann. Ich würde gerne sehen, wenn Spiele mehr aus diesem Bereich behandeln würden, als sie es zurzeit tun.

V: Zurzeit sind die erwähnten neuen Eingabe-Möglichkeiten groß im Kommen: drahtlose Headsets mit Gedankenkontrolle und ähnliches. Wäre das auch etwas für eines Deiner Spiele?
WW: Je weniger aufdringlich, desto besser. Ich denke, wenn ich ein Headset oder so etwas aufsetzen müsste, hängt es davon ab, wie man es nutzt. Die Steuerung muss so transparent sein, wie möglich, so dass der Spieler sie vergisst. Nur dann kann er wirklich ins Spiel eintauchen. Die eindringlichsten Momente in Spielen erlebte ich mit Quake oder Doom, in einen dunklem Raum, ich vergaß Raum und Zeit, selbst meine Finger auf der Tastatur oder das ich noch eine Maus bewegte. Es war unsichtbar für mich. Dann erst fühlt man sich ins Spiel gezogen. Es geht nicht darum, besonders ausgefallene Eingabegeräte zu haben, sondern welche, die ich vergessen kann. So wie bei Wii Sports: Ich spiele Tennis, ich vergesse, dass ich einen Controller in der Hand habe, ich schwinge meinen Arm, als würde ich Tennisspielen. Es ist eher eine eins zu eins Abbildung meiner Aktionen auf das, was im Spiel passiert. Das kann man auf jede Art von Eingabemöglichkeit übertragen. Selbst auf eine Standard-Tastatur und –Maus. Wenn das Spiel gut designed ist und ich richtig hineingezogen werde, vergesse ich meine Hände, ich bin die kleine Figur im Spiel.

V: Das ist also nichts, wovon Du sagen würdest, oh, das benutze ich in meinem nächsten Spiel auch?
WW: Je mehr ich benutzen kann, was mich ins Spiel zieht, um so besser. Aber wenn ich etwas aufsetzen muss, was ich irgendwie befestigen muss und dann werde ich noch seekrank, dann ist es hinderlich. Und ich bin mir schmerzlich all dieser Technologie um mich bewusst, was es hart macht, sie zu vergessen. Es ist eine feine Linie dazwischen. Ich denke, die Bandbreite solcher Geräte ist großartig, man kann damit teilweise mehr machen, als mit einer Tastatur. Gleichzeitig muss es sich sehr natürlich anfühlen. Wie Autofahren. Für manche Leute zum Beispiel wird das Auto ein Teil ihrer selbst. Wenn es kracht, würde man sagen, oh, ich habe ein Auto getroffen. Nicht, oh, mein Auto hat ein anderes erwischt. Das Auto wird Teil ihres Körpers, auch wenn man sich seiner Hände am Steuer oder an der Kupplung noch bewusst ist, man erweitert den persönlichen Raum um das Auto. Das ist ein gutes Beispiel für eine transparente Schnittstelle und die besten Spiele haben dieses Gefühl, wo man seine Identität um das Spiel erweitert.

V: Das mögen also sehr ausgefallene Dinge sein, diese neuen Eingabegeräte, aber Dir geht es offensichtlich mehr um Inhalte?
WW: Der Punkt ist, man will, dass der Spieler ins Spiel eintaucht. Und dann muss man sich mit all diesen Technologien, Eingabegeräte etc beschäftigen. Hilft mir das in dem Zusammenhang? Hilft es mir, tiefer in das Spiel einzutauchen. Oder lässt es mich weniger ins Spiel eintauchen, weil ich mir schmerzlich all dieser verrückten Dinge bewusst bin, die ich steuern muss? Das ist für mich der Filter.

V: Gibt doch mal Deine Vorstellung wieder, Deine Vision: Wie werden wir in Zukunft spielen? Sagen wir, in 10 Jahren, was für Spiele eine recht lange Zeit ist…
WW: Für mich ist eine der potentiellen Entwicklungen die, das Spiele sehr formbar werden könnten und sich sehr stark ändern, um den Spieler herum. Ich denke, Spiele sind das einzige Medium, die sich inhärent an ein einziges Individuum anpassen können. Sie können absorbieren, was Du tust, in was Du gut bist, was Dich motiviert und sich langsam daran anpassen, indem durch Computer und durch Spieler generierte Inhalte, Lern-Algorithmen, genutzt werden
Ich kaufe also das gleiche Spiel wie alle anderen, aber nach einem Monat spielen sieht es völlig anders aus. Denn Dein Spiel entwickelte sich nach Deinen Interessen und mein Spiel passte sich meinen Interessen an. Das macht Spiele einzigartig unter den anderen Medienformen, dass sie die Eigenheit besitzen, formbar zu sein. Und sie können in gewisser Weise lernen, sich an den Spieler anzupassen. Das ist die aufregendere Entwicklung, als bessere Grafik oder coole Eingabegeräte.

V
: Peter Molyneux würde Dir sicher zustimmen. Ich sprach gestern mit ihm und er sagte, er würde eben das mit Fable versuchen: Es soll für jeden Spieler ein einzigartiges, eigenes Spiel sein.
WW: Ja, stellen Sie sich vor, George Lucas hätte eine besondere Version von Star Wars gemacht, nur für Dich oder mich! Und er weiß, Sie interessieren sich für dieses und ich für jenes. Deines hat besondere Charaktere, meines besondere Technologien, was auch immer. Spiele sind die einzige Medienform, die dieses Potential hat. Und das ist eine unglaublich mächtige Sache, wenn wir lernen, es zu nutzen. Das geschieht nicht über Nacht, es wird sich langsam verbreiten. In Anfängen sehen wir es heute in einigen Spielen und sehr langsam geschieht es mehr und mehr. In 10 Jahren werden wir sagen, wow, früher hat jeder das gleiche Spiel gespielt und es hat sich nicht verändert, wohingegen es heute für mich einzigartig ist.

V: Ich sprach mit einigen Entwicklern, die meinen, das in Zukunft offline gar nichts mehr ginge, online zu spielen sei irgendwann die vorherrschende Spielweise. Würdest Du da zustimmen?
WW: Ich würde nicht zustimmen. Ich meine, online ist ein großartiges Werkzeug, es ist eine zugrunde liegende Infrastruktur, die wir für unser Design und für verschiedene Zwecke nutzen können. Das wäre genauso, als würde man sagen, Grafik ist das Beste oder Sound. Ich glaube nicht, dass es eine beste Sache gibt. Ich denke, wirklich wünschenswert ist Vielfalt bei Spielen und Plattformen. Ich glaube, online ist eine sehr wichtige Komponente für Spiele, aber auf keinen Fall halte ich es für die ultimative Richtung.

Damit entschwand Will wieder ins Nebengebäude, in sein kleines Büro. Wir durften noch ein bisschen neugierig unsere Kamera durch das Großraum-Büro schwenken. Davon und vom Interview wird einiges in der Doku „Games 2.0 – Der nächste Level“ zu sehen sein (25. Mai, 16:30 in 3sat). Das komplette Interview wird dann auch bei 3sat neues online zu sehen sein. Bis dahin habe ich aber noch einige Drehs und den Schnitt vor mir. Ich darf gar nicht dran denken, ich erinnere mich noch an den letzten Schnitt: Wenn man da raus kommt, ist man gehirnmäßig völlig durch. Man möchte dann am liebsten ein Einzeller aus den Anfängen von Spore sein. Nicht nachdenken, einfach Plankton und anderes Gebrösel futtern und den dickeren Einzellern aus dem Weg schwimmen…

Pixel, die die Welt bedeuten: Interview mit Will Wright
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