„Du kannst nicht derjenige sein, der alle Fragen stellt UND die Antworten gibt.“

The Beginner’s Guide ist nicht so leicht zu beschreiben. Am besten trifft es noch der Vergleich mit einem Aufsatz. Einem interaktiven Aufsatz. Bei Büchern kennt man die Frage ja: Was will uns der Autor damit sagen?! Bei Spielen stellt sich diese Frage eher selten, egal wie gut die Erzählung ist. Sie stellt ja zumeist nur den Hintergrund für eine ausreichend abwechslungsreich Anzahl interaktiver Möglichkeiten. Was nicht heißen soll, das nicht viele gute Geschichten auf diese Art erzählt werden, aber Interpretations-Schlachten sind da nicht allzu häufig zu führen.  Bei dem neuen Spiel von Stanley Parabel-Macher Davey Wreden kann man sich damit aber ganz gut beschäftigen.  An dieser Stelle kann ich die Insert Moin-Folge dazu empfehlen (mit Rainer Sigl).

Um was geht’s denn nun?

Das ist eigentlich gar nicht mal soo schwer zu fassen. Beim Spielstart spricht euch ein unsichtbarer Erzähler (Davey Wreden himself) an: Sein Kumpel Coda (sic!) sei ein Entwickler, der unzählige Projekte anfange, aber nie etwas zu Ende bringe. Dessen ganze Festplatte sei voller angefangener Werke & Tech-Demos. Einige davon vielversprechend, andere völlig weird.  Welten scheinbar voller Glitches, Labyrinthe, riesiger Treppen-Schluchten, verwirrender Puzzles und aberwitziger Dialoge. Der Erzähler schickt euch nun durch all diese Demos, in der Reihenfolge ihres Entstehens. Dabei rätselt er über Codas Motive, spekuliert darüber, wie dieses oder jenes Spiel hätte werden sollen und philosophiert über das Thema Spiele-Entwicklung im Allgemeinen. In der Zwischenzeit versucht ihr, Rätsel zu lösen, die sich bisweilen als nicht fertig herausstellen. Oder Wege aus einem Level herauszufinden. Immer dann, wenn ihr denkt, ihr wisst, was zu tun ist, weil eine Tätigkeit euch aus vielen Spiele-Genres bekannt vor kommt, bricht der Erzähler den Eindruck, man habe es mit einer Spielhandlung zu tun. Man kann in diesem „Spiel“ nichts falsch machen. Nicht sterben. Und auch nicht verzweifeln. Aber man kann staunen, fasziniert sein, schmunzeln und spüren, das irgendwo hinter all dem eine verletzliche Person steht. Die darunter leidet, wenn andere die Deutungshohheit über die eigenen Ideen für sich beanspruchen, die Selbstzweifel hat. Dazu muss man zuhören. Und das tut man erstaunlich gerne. Davey Wreden spricht angenehm, klug, authentisch, eloquent. Und währenddessen geht man rückwärts durch Gänge, liest Botschaften auf Mauern, durchbricht Grenzen von Spielwelten, putzt eine Wohnung und versucht aus einem Gefängnis zu entkommen.

Und wie ist das so?

Ich finde, das ist ganz, ganz großes Kino: Ohne Endboss, ohne Bombast-Grafik, ohne niedliches Getier, ohne HD-Cutscenes. Für 1 bis maximal 2 Stunden am Stück. Es sind trotzdem gut investierte 9 Euro. Das entspricht etwa dem Neupreis von „Was ist Das Böse? Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart“ von Reclam. Ist aber weit fluffiger durchzuarbeiten…

 

 

The Beginner’s Guide: Ein spielbarer Aufsatz über Spiele
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Und jetzt ihr!

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