World of Warcraft Classic hat einen ganz schönen Hype ausgelöst, muss ich sagen. Jetzt, wo sich der Staub verzogen hat.

Und was ich auch sagen muss: Früher war (nicht) alles besser!

Klar: Wir hatten ja nichts, damals, aber jede Menge Spaß. Zur Erinnerung für NostalgikerInnen und Menschen, die DAMALS nicht dabei waren: Viele Tätigkeiten, die eigentlich der spielerischen Unterhaltung dienen sollten, waren ungemein mühselig zu organisieren. So ein kleiner Ausflug in einen Dungeon zum Beispiel. Man musste stundenlang einen Deppen zur Heilung der anderen Deppen suchen, damit man im Drachenhort nicht einfach kross durchgebraten wurde. Das Finden einer Gruppe für einen Dungeon musste kommunikativ erledigt werden. Entweder hatte ihr genug spielende FreundInnen auf dem gleichen Server oder ihr musstet halt noch ein oder zwei suchen. Und das war der sprichwörtliche Schwall ins All, bzw. ein Aufruf im allgemeinen Chat der möglichst größten Stadt.

Hatte man dann endlich eine sinnvoll zusammengesetzte Truppe beisammen, musste man alle irgendwie zum Ort des Geschehen kriegen. „Anreisen, bitte„, ist der meistgeschriebene Satz dieser Spieleabende gewesen. Es dauerte teilweise ewig zu den Dungeons zu reisen. Ich rief meist erst mal den WoW-Routenplaner im Browser auf. Den hatte ein Spieler mit großem Fleiß erstellt und wenn ich noch wüsste, wie der gute Mann heißt, würde ich es erwähnen. Aber das wisst ihr jungen Leute ja alles nicht, weil heute ist das alles total einfach!

Hatte man endlich zum Ort der großen Keilerei des großen Abenteuers gefunden, waren noch ein paar Dinge zu erledigen. Erfrischungen verteilen, sich vorstellen, den Schlachtplan besprechen – falls jemand einen hatte. Und schon konnte es losgehen.

Oh hoppla: Ganz unglücklich gleich nach dem Eingang über einen schlecht gelaunten Ork gestolpert. Oder dümmlich die schöne grüne Wolke bewundert, bevor jemand im Teamspeak rumbrüllte („raus da!“) und dann, naja. Gut, der Tod war ja endlich, also, latsch, latsch, die Heide blüht! Zu Fuß gefühlt 300 km laufen und zurück in den Drachenhort oder den Tempel des verschimmelten Fungus in Schlechtwetterland. Herrgodd, wer hat denn diese beknackte Felswand hier hingestellt, die war doch vorhin noch nicht da. Konnte man so natürlich nicht mitteilen, also flötete man irgendwas halbwegs glaubwürdiges ins Teamspeak: „Sorry, bin gleich da, Telefon hat geklingelt, meine Mutter hat angerufen.

Selbstverständlich gab es keine Karte vom Dungeon. Waren wir vor 3 Stunden, als ich verstarb, erst linksherum oder doch zwei mal rechts und dann links dann in den Schacht gehüpft? Oh, hier ist falsch, weil DA STEHT EINE WAND VON ORKS. Scheiße, schon wieder tot. Gut, man kannte nun den Weg und dann ging das auch viel schneller, „nur noch 10 Minuten, Leute!“

Dungeons waren das eine, aber nebenbei musste man ja auch noch die ein oder andere Quest erledigen. Zur Erinnerung: Zu Beginn tickerte die gesamte Questbeschreibung langsam runter, wie mit der Feder geschrieben. Kann man sich jetzt gerne wieder in Classic ansehen. Das konnte man irgendwann abstellen, aber Grundgütiger! Dann musste man ja auch noch den Quest-Empfänger wiederfinden. Nachdem man im Kaltefüßewald 253 ranzige Riesenrüben für irgendeinen Waldschrat gepflückt hatte, konnte man sich meist nicht mehr wirklich erinnern, wo der Hoschi stand. Was wiederum die Geschäftgrundlage für unzählige WoW-Webseiten war.

Ich habe mir zu Beginn eine Kriegerin erstellt, weil ich dachte, jo, mit’m Schwert weiß ich, was zu tun ist. Wie erklärte John Snow die Sache seiner kleinen Schwester ? Stick’em with the pointy end! Mehr muss man nicht wissen, dachte ich. Hihihi. Und hatte man endlich mit seinem ersten rostigen Ding so viele verwirrte Schwanzlurche niedergemessert, dass man seine Fähigkeiten sinnvoll einsetzen konnte, bekam man eine Stabwaffe. Die war zwar von den Werten her besser, aber mit der man zunächst nicht mal ein Eichhörnchen niederschlagen konnte. Man musste jeden Waffentyp einzeln hochskillen.

Nusspli, die Championess

Und dann das liebe Gold! Nie war genug da. Als für meine Kriegerin seinerzeit endlich mal relevante Fähigkeiten bereitstanden, war nicht genug zur Ausbildung da. Aber wozu hat man Freunde! Es fehlt nur ein bisschen Silber, aber großzügig lieh mir ein Freund gleich 1 Gold. Ich war begeistert: Ich konnte endlich was-weiß-ich-noch-was und … hatte Schulden.

Und heute? Tja. Ist alles unverbindlicher geworden. Es gibt keine Warteschlangen mehr, man klickt aufs Matchmaking-Tool und wird innerhalb kürzester Zeit in eine passende Dungeongruppe gestopft, in der kaum einer mal hallo sagt. In der Spielwelt habe ich kaum noch einen Überblick und ich werde vermutlich bis ans Ende meiner Tage zu Fuß gehen müssen, weil ich diese aberwitzige, doppelt und dreifache Quest-Reihe fürs Fliegen nicht abgearbeitet bekomme! Mir fehlen meine alten Freunde & Freundinnen und die absonderlichen Dungeon-Abenteuer mit ihnen. Zwar sind einige noch da und ich freue mich immer wieder, den ein oder anderen Namen online zu sehen. Aber es ist nicht mehr wie früher. Und nicht alle sind noch dabei.

Aber es ist wie mit einer alten Beziehung: Es ist schön, sich an gute Zeiten zurück zu erinnern. Es ist schön, sich wieder zu sehen und alles ist entspannt. Aber die Beziehung genau da wieder aufnehmen, wo man aufgehört hat, funktioniert ganz selten. Es war kurz und ganz nett, in Classic. Ich logge aber lieber wieder in die aktuelle Version ein. Ich liebe dieses Spiel immer noch, da kriegt mich auch keiner raus. Auch, wenn ich nicht mehr so oft und so intensiv spiele. Solange Azeroth seine Tore geöffnet hat, komme ich wohl wieder. Auch zu Fuß!

WoW-Diary 92: It’s a classic!
Markiert in:         

Und jetzt ihr!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.