Meine Jane-Hawk-Reihe im Regal – Band 1 fehlt, weil war geliehen 😉

Die 5-teilige Reihe um die FBI-Agentin Jane Hawk ist ohne Übertreibung das Spannendste, was ich nach der Millenium-Trilogie jemals gelesen habe. Angefangen habe ich es, weil mir eine Nachbarin das Buch „Suizid“ lieh. Sie hatte es spontan gekauft, bisher noch nicht gelesen und auch nicht gewusst, dass es sich um eine Reihe handelt. Letzteres stellte ich dann am Ende des ersten Buches fest und es ließ mich erst mal die Augen rollen: Als ob nicht schon gefühlt 2 Millionen Serien mit jeweils 37 Staffeln um meine Aufmerksamkeit buhlten.

Aber Entwarnung: Es sind „nur“ 5 Teile und das ist, wie hinlänglich bekannt sein sollte, genau die richtige Anzahl um seriell zu erzählen, ohne ins Nervige zu strecken. Und Koontz bringt die Story sauber und mit einem gehörigen BAM zu Ende. Schließlich hatte auch Breaking Bad genau 5 Staffeln und das war ja wohl fantastisch! Aber ich schweife ab.

Worum geht’s?

„Und dann haben sie gar keine Spielregeln, wenigstens, wenn sie welche haben, so beobachtet sie Niemand“.

Lewis Carroll, Alice’s Abenteuer im Wunderland

Die junge FBI-Agentin Jane Hawk ist eine erfolgreiche Agentin, eine der Besten ihres Jahrgangs. Wir steigen aber nicht mitten in einer Erfolgsgeschichte ein. Als wir sie kennenlernen, ist sie am Boden. Ihr Mann Nick hat sich umgebracht, die am Boden zerstörte Jane ist beurlaubt. Die Beweislage ist eindeutig und Jane zweifelt nicht mal am Selbstmord. Nur: Warum? Es gibt keinen Grund und es lässt sich auch nachträglich keine düstere Geschichte recherchieren. So beginnt Jane, in Sachen Selbstmorde in den USA zu recherchieren: Statistiken, Gründe, Veränderungen. Und stößt auf eine ganze Reihe unerklärlicher Fälle in jüngster Zeit.

Und erhält schon sehr früh eine unmissverständliche Warnung: Ein Unbekannter dringt in ihr Haus ein und bedroht ihren 5-jährigen Sohn. Alles deutet auf eine Bedrohung mit sehr viel Macht hin. Sie merkt schnell, dass sie niemandem trauen kann und geht in den Untergrund. Ab hier entspinnt sich eine wahnwitzige und doch vorstellbare Verschwörungsgeschichte, die mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen ließ: Zum Nägel-abkauen, Blutdruck-in-die-Höhe-treibend und beim Lesen regelmäßig leise ohgoddogott-murmelnd spannend.

Die Figuren

Da ist Jane Hawk, gut aussehend, talentiert, klug. Aber auch grüblerisch und mit Altlasten aus ihrer Kindheit belastet. Trotz ein paar düsteren Eigenschaften ist sie fast ein bisschen zu Blockbuster-Drehbuchreif gezeichnet: eine Model-Schönheit, hochintelligent, Top-Schützin, Nahkampf-gestählt. Aber man kann nicht anders, als das zu verzeihen: Zu spannend ist die Geschichte und zu sehr leidet man mit ihr, fürchtet man um ihr Leben, das ihres Kindes und ihrer wenigen, aber treuen Freunde. Und Hawk ist eine starke Frau, eine starke Figur, wie es sich millionenfach in männlich gibt, wage ich zu behaupten. Es ist nur fair, dem etwas entgegen zu setzen. Meinetwegen darf Koontz auch mehrfach erwähnen, dass sie schön ist. Ich hätte sie auch anders geliebt.

Immer wieder tauchen neue Charaktere auf: Menschen, auf die sie zufällig trifft, skurrile Käuze und eigenwillige Typen, männlich wie weiblich. Manche sind Opfer der Verschwörung, wie sie, andere Mitläufer, kleine Fische oder Schwerverbrecher, Outlaws und Freaks. Mit leichter Hand ins Thriller-Menü gestreut und doch sorgsam konstruiert. Egal wie scheinbar zufällig Figuren, auftauchen, sie wirken nie beliebig. Und dann die unfassbar hässlichen Kaliber der Geschichte! Also von innen hässlich. Arrogant, narzisstisch, gefühllos, Sozipathen und Killer. Dabei gelingt es Koontz, seine Protagonisten nicht zur Karikatur werden zu lassen. Er lässt ihre Motive und persönlichen Hintergründe immer wieder durchscheinen, so dass sie glaubwürdig bleiben.

Immer wieder erlaubt sich die Erzählung auch, Figuren am Rande länger und intensiver kennenzulernen. Nur um es umso schmerzvoller zu machen, wenn man sie verliert oder ihre verzweifelte Flucht ohnmächtig erleben zu müssen. Und man ertappt sich dabei, wie man, wenn es dann endlich mal einen der Fieslinge trifft, mit Genugtuung dessen banalen Untergang bejubelt. Nimm das, du [hier beliebige Beleidigung für euch selbst formulieren]!

Hintergrund

Im letzten Band steht zu Beginn ein Zitat von Elon Musk: „Creating a neural [brain] lace is the thing that really matters for humanity to achieve symbiosis with machines.“

Das ist an dieser Stelle kein Spoiler, denn die Kurzbeschreibungen der Bücher liefern das bereits: Jane Hawk findet schnell heraus, dass eine Gruppe WissenschaftlerInnen einen Nano-Kontrollmechanismus entwickelt hat, mit dem man Menschen steuern kann. Diese Idee ist real und auch die Technologie für eine Verbindung zwischen Gehirn und Computer gibt es schon länger. Elon Musks Firma Neuralink will mehr. Man will Implantate an genau bestimmbare Regionen im Gehirn setzen und so z.B. motorische und sensorische Funktionen bei Menschen wiederherstellen zu können. Dass das auch weiterreichend eingesetzt werden kann, wie die meisten Entwicklungen von Forscherteams, liegt nahe. Auch, wenn Musks Visioen teilweise als unseriöser Hype abgetan werden, macht das die Idee nicht weniger brisant.

Nebenbei macht Koontz auch noch mehr Schattenseiten eine digitalisierten und vernetzten Gesellschaft klar: steuerbare Verkehrskameras, GPS in praktisch allen Fahrzeugen, Smartphones, digitaler Zahlungsverkehr, Überwachungskameras im öffentlichen Raum: Wenn Menschen an den richtigen Schaltstellen alle bestehenden Möglichkeiten missbrauchen wollen, können sie jeden Menschen nicht nur lückenlos überwachen, sondern ihn auch mit Leichtigkeit finden. Untertauchen ist da praktisch unmöglich. Jane Hawk weiß das und wir auch. Und doch ertappt man sich immer wieder dabei, schuldbewusst aufs eigene Handy zu schielen.

Der Autor

Dean Koontz war Englischlehrer und arbeitet nach dem College in einem Programm für arme Kinder. Ein Programm, dass er selbst frustriert als eine Art „Abstellplatz für aggressive Kids“ beschrieb, wo jegliche Finanzierung irgendwo nutzlos versickerte. Eine Arbeit, die ihn ganz offenbar geprägt hat und auch seine Sichtweise auf politische Schaltstellen und die Korrumpierbarkeit von Macht. Er schrieb nebenbei, bis seine Frau ihm ein generöses Angebot machte:

“I’ll support you for five years,” she said, “and if you can’t make it as a writer in that time, you’ll never make it.” By the end of those five years, Gerda had quit her job to run the business end of her husband’s writing career.

Dean Koontz‘ offizielle Website: https://www.deankoontz.com/about-dean/

Erstaunlich eigentlich, dass Koontz Werk kaum verfilmt wurde. Zumal die hier beschriebene Reihe schon fast drehbuchreif ist. Aber vielleicht war auch nur noch nicht die richtige Möglichkeit dabei: Serielles Erzählen, wie es diese Geschichte erfordert und wie es Streaming Plattformen groß gemacht haben, gibt es ja noch nicht mehrere Jahrzehnte.

„In meinem Leben habe ich mich in zwei Frauen verliebt – die zweite ist glücklicherweise Fiktion!“

Dean Koontz: https://www.harpercollins.de/collections/dean-koontz

Also: Wenn ihr was zu lesen sucht: Lest die Jane Hawk-Reihe. Band 1 (Suizid) und 2 (Gehetzt) gibt es auf Deutsch, Teil 3 (Gefürchtet) erscheint laut Verlag am 17. September. Ich habe halt englisch weitergelesen – alles andere wäre schlecht für meinen Blutdruck gewesen.

Buchtipp: Techno-Thriller
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Und jetzt ihr!

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